Essen. . Brenntag ist der weltgrößte Chemie-Distributeur. In der Essener Konzernzentrale erforscht er auch, wie Salz im Baguette reduziert werden kann.

Der Gehalt von Zucker, Salz und Fett in Lebensmitteln soll drastisch sinken. Das haben sich Bundesregierung und Handel auf die Fahnen geschrieben. Im Labor Anwendungszentrum des Essener Unternehmens Brenntag testet Harald Köster, wie der Teig für ein Baguette beschaffen sein muss, in dem 50 Prozent weniger Salz steckt. Ein wirklich überzeugendes Rezept hat der Lebensmittel-Technologe noch nicht gefunden.

Er steht vor einem Dilemma: Wenn er einfach Salz reduziert, schmeckt das Brot fade. Wenn er Salzersatzstoffe wie natürliches Aroma oder fermentierten Zucker hinzunimmt, braucht er so viel davon, dass der Backprozess nicht funktioniert. Denn Salz ist nicht nur ein Gewürz, das schädlich für den Blutdruck ist. Es beeinflusst auch die Gärung der Hefe und damit die Lockerheit des Brots.

Weniger Zucker und Salz sind ein Megatrend

„Salz- und zuckerarme Lebensmittel sind ein Megatrend“, sagt Kösters Chef, Frank Haven. Der Niederländer leitet das Geschäft von Brenntag Food & Nutrition (Lebensmittel und Ernährung) im EMEA-Wirtschaftsraum, der Europa, den mittleren Osten und Afrika umfasst. Der weltgrößte Chemikalien-Distributeur hat seine Lebensmittelsparte neu aufgestellt und im Sommer des vergangenen Jahres in der nagelneuen Konzernzentrale an der Messe Essen ein großes Anwendungs- und Entwicklungszentrum eröffnet.

In der Küche tüfteln zwei Lebensmittel-Technologen aus, wie ein tiefgefrorenes glutenfreies Brötchen auch nach dem Aufbacken knackig bleibt, wie der Getränkehersteller dem Discounter eine Apfelschorle ohne künstliche Zusatzstoffe brauen kann und wie der Burger nicht gleich ganz vegetarisch, aber mit deutlich weniger Fleisch am Ende auch den Verbrauchern schmeckt.

Brenntag entwickel auch Burger.
Brenntag entwickel auch Burger. © Fabian Strauch

Und da Geschmäcker bekanntlich unterschiedlich sind, hat die Brenntag ihre 28 Anwendungs- und Entwicklungszentren über die ganze Welt verteilt – von Essen bis Johannesburg und von Manila bis Mexico City. „Selbst in den kleinen Niederlanden bevorzugt man im Süden helleren Tomatenketchup als im Norden“, weiß Frank Haven aus eigener Erfahrung. Und in China sei gerade Mayonnaise eine Neuentdeckung, die es in Europa seit Jahrzehnten gibt. Eine Entwicklung zeichne sich aber in allen Erdteilen gleichermaßen ab. „Die Menschen wollen sich gesünder ernähren“, meint Haven.

Rund 750 Mitarbeiter sind für Brenntag Food & Nutrition in 73 Ländern der Erde tätig. „Wir entwickeln, was in zwei Jahren in den Supermarkt-Regalen stehen wird“, sagt Bereichsleiter Frank Haven.

Rezepturen für große und kleine Hersteller

Das Essener Unternehmen verstehe sich dabei als Anbieter von Lösungen für die gesamte Wertschöpfungskette der Lebensmittel – beginnend beim Landwirt, der Getreide anbaut oder Tiere züchtet, über Hersteller von Produkten bis hin zum Händler. Auch Transport, Verpackung und Marketing gehören dazu.

Das Essener Team von Brenntag Food & Nutrition erfindet selbst neue Rezepturen für Lebensmittel, entwickelt aber auch im Auftrag von großen und kleinen Produzenten Innovationen. „Viele Hersteller haben keine eigenen Entwicklungsabteilungen mehr. Die Arbeit übernehmen wir für sie“, sagt Brenntag-Manager Wolfgang Strack und nennt ein Beispiel: Ein Discounter gibt bei einem seiner Lieferanten ein neues Mischgetränk in Auftrag, das wenig Zucker enthalten soll.

Frank Haven leitet bei Brenntag den Geschäftsbereich  Food & Nutrition im Wirtschaftsraum EMEA.
Frank Haven leitet bei Brenntag den Geschäftsbereich Food & Nutrition im Wirtschaftsraum EMEA. © Fabian Strauch

Der Hersteller gibt den Auftrag an Brenntag weiter. „Wir haben dann in der Regel eine Woche Zeit, um eine Rezeptur zu entwickeln“, so Strack. Sollte der Discounter mit dem Ergebnis zufrieden sein, ist Brenntag in der Lage, in seinen Mischanlagen in Italien und Polen alle Inhaltsstoffe herzustellen und als Fertigmischung an den Getränkehersteller zu liefern. Strack: „Das Unternehmen muss nur noch Wasser zusetzen und abfüllen.“

Zwei große Kühlschränke in der Essener Küche sind gefüllt mit kleinen Aroma-Fläschchen von seltener Vanille bis hin zu Frucht-Extrakten. Ein namhafter Cocktail-Hersteller bezieht die Inhaltsstoffe für seinen Bellini wie Zucker, Zitronensäure, Farbe und Pfirsich-Extrakt von Brenntag. „Bis auf den Wein kommt alles von uns“, sagt Ökotrophologin Annika Janicke. Auch eine bekannte Korn-Brennerei bezieht das Birnenaroma ihrer Spirituosen von Brenntag. Die Experten kreieren aber auch Inhaltsstoffe, Rezepturen und Komplettlösungen etwa für Bäckereien, Speiseeis, Fleisch-, Wurst- und Fischwaren.

Auch laktosefrei und halāl

Gluten- und laktosefrei, fettarm, halāl, Ethnical Food, vegetarisch, vegan – im Idealfall ohne chemische Zusätze und dennoch haltbar – die Anforderungen an die Hersteller von Lebensmitteln werden immer differenzierter. In ihren 28 Anwendungs- und Entwicklungszentren weltweit arbeitet Brenntag an Lösungen, die überdies zu den Erwartungen und Kulturen auf den jeweiligen Märkten passen sollen. Für Bereichsleiter Frank Haven steht bei allen Trends und Innovationen immer auch der soziale Aspekt im Mittelpunkt. „Wir müssen uns immer wieder fragen, wie viel Geld eine durchschnittliche Familie für ihre Ernährung ausgeben kann. Lebensmittel müssen auch bezahlbar bleiben.“