Essen. . Start-Ups sollten innovativ und agil wendig sein - aber mit dem Erfolg kommt auch oft eine Behäbigkeit auf, die die Zukunft der Firma gefährdet.

Innovative Geschäftsideen oder Technologien entwickeln, neue Märkte erschaffen oder bestehende Märkte umkrempeln – das zeichnet erfolgreiche Startups aus.

Ist der Erfolg da, wachsen Umsätze und Zahl der Mitarbeiter, kann es schnell passieren, dass selbst Startups in den alltäglichen Trott des "Business as usual" verfallen. Deshalb sollten auch Gründer ihr Unternehmen, ihre Produkte, Geschäftsmodelle und Technologien stetig weiterentwickeln und in die Zukunft denken.

Warum das so wichtig ist, machte unlängst die ehemalige Innovationschefin des Musik-Streamingdienstes Spotify, Sofie Lindblom, Studenten der Uni Duisburg-Essen klar: „Die Welt hat sich nie schneller verändert als heute und wird sich wahrscheinlich nie wieder so langsam verändern“, gab sie gleich zu Anfang ihres Gastvortrags am Campus Essen zu bedenken.

Wer Innovation nicht in sein Unternehmen integriert, dem könne es schnell so ergehen, wie vor einigen Jahren Kodak: Weil der Fotoausrüster die innovative Entwicklung der Digitalfotografie unterschätzte, rutschte er von der Weltmarktführerschaft in die Pleite. Die Tragik an der Geschichte: Die erste digitale Fotokamera entwickelte ein Kodak-Mitarbeiter.

Wie man diesen „Kodak-Moment“ für das eigene Unternehmen verhindern kann, dazu hatte Sofie Lindblom einige Tipps und Strategien im Gepäck, die sie den Studenten und angehenden Unternehmern mit auf den Weg gab.

Tipp 1) Eine innovative Unternehmenskultur schaffen und pflegen

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Eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen nachhaltigen Erfolg liegt eigentlich schon in der "Natur" bzw. Kultur von Startups: Offen zu sein für neue Ideen und bereit zu sein, sie schnell auszuprobieren und zu testen.

Innovation als Teil der Unternehmenskultur ist essentiell für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg. Wichtig dabei ist, dass diese Kultur von den Gründern kommuniziert und vorgelebt wird. Das heißt vor allem, dass Mitarbeiter ermutigt werden, sich mit eigenen Ideen einzubringen und das Unternehmen für die Zukunft mitzugestalten.

Das heißt aber auch, dass die Gründer bereit sein müssen, Verantwortung an ihre Mitarbeiter abzugeben, ihnen die Chance geben sollten, eigene Ideen umzusetzen.

Das wiederum funktioniert nur, wenn zur Unternehmenskultur auch die Möglichkeit des Scheiterns gehört. Gerade in Sachen Risikobereitschaft sind Startups etablierten Unternehmen einen deutlichen Schritt voraus.

Tipp 2) Ein innovatives System in das Unternehmen integrieren

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Eine innovative Kultur zu schaffen, ist das zwar das Fundament, reicht allein aber nicht aus. Will man kontinuierlich innovativ im Unternehmen arbeiten, sollte man dies systematisch angehen, rät Sofie Lindblom.

Weder das kreative Chaos, das nach der ersten Begeisterung für die neue Idee einsetzt, noch ein strikter, geradliniger Plan von der ersten Idee hin zum fertigen Produkt seien hier erfolgversprechend.

Vielmehr sollte man ein innovatives System im Unternehmen integrieren, das nach einem bestimmten Prozess abläuft. Dieser Prozess durchläuft verschiedene Phasen.

Es beginnt mit der Phase, Ideen strategisch zu entwickeln und zu sammeln. Bei der Ideenfindung helfen die Stärken und Kompetenzen des eigenen Unternehmens mit einzubeziehen, die Zielgruppen und ihre Probleme zu berücksichtigen sowie die Erfahrungen, die das Unternehmen bisher gesammelt hat, zu analysieren. Wichtig in dieser frühen Phase ist es, die Ideen erst einmal zu sammeln und noch nicht über den Wert zu urteilen.

Dies ist erst Teil der zweiten Phase, wenn es darum geht geeignete Ideen auszuwählen, an denen das Startup weiterarbeiten möchte. Hier geht es darum, die Problemstellung zu klären, das mögliche Potenzial auszuwerten und zu überlegen, wie das Startup an die Lösung herangehen könnte.

Hat sich das Team für eine oder mehrere Ideen entschieden, geht es daran, ein Konzept zu entwickeln, mit dem die Ideen weiter ausgearbeitet werden: Welche Aufgaben sind zu erledigen, wer ist wofür zuständig, wie kann das definierte Problem gelöst werden.

Steht das Konzept, geht es für das Team daran, Wege zu finden, es zu testen. Es geht nicht darum, bereits ein fertiges, perfektes Produkt auf den Markt zu bringen, sondern mit einer Version auf den Markt zu gehen, die ausreicht, um erste Nutzererfahrungen zu sammeln und auswerten zu können.

Bekommt das Konzept Zuspruch, kann das Startup das Produkt weiter ausarbeiten, um schließlich Geld damit zu verdienen.

Dieser Prozess sollte immer wieder parallel zum laufenden Geschäft angestoßen und durchlaufen werden. So baut sich das Unternehmen kontinuierlich ein Portfolio innovativer Ideen auf.

Entscheidend ist, den richtigen Moment zu finden, einen neuen Innovationsprozess in Gang zu setzen.

Tipp 3) Den richtigen Moment für innovative Entwicklungen erwischen

Den richtigen Moment zu finden, mit einem neuen Innovationsprozess zu beginnen, dabei hilft das Modell der S-Kurve. Bildet die noch junge Idee die untere Kurve des S, schwingt sie sich zum Wachstum in der Mitte hinauf und wächst weiter bis sie einen gewissen Reifegrad der Leistungsfähigkeit erreicht hat, der nicht weiter wachsen wird.

Um auf diesem Level nicht stecken zu bleiben, sollte das Startup frühzeitig beginnen, neue Ideen zu entwickeln. Nach dem Modell der S-Kurve ist dieser Zeitpunkt gekommen, wenn die aktuelle Idee in der Wachstumsphase steckt. Folgt man dieser Strategie, so Sofie Lindblom, könne die Gefahr minimiert werden, auf einer Entwicklungsstufe stecken zu bleiben.

Damit dieser Prozess gelingt, gilt es ein paar Grundregeln im Umgang mit Ideen zu beachten.

Tipp 4) "Ja, und…" statt "Ja, aber..."

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Innovation kann nur gelingen, wenn man in der kreativen Phase des Prozesses die Idee nicht schon im Keim erstickt. Gerade, wenn es darum geht, möglichst viele Ideen zu sammeln, sind Zweifel und Bedenken fehl am Platz.

Anstatt eine Idee mit "Ja, aber..." zu verurteilen, sollte man sie lieber mit der Haltung "Ja, und..." weiterdenken, meint Sofie Lindblom. Eine positive Grundhaltung neuen Ideen gegenüber ist für einen erfolgreichen Innovationsprozess essentiell.

Tipp 5) Die richtigen Fragen stellen

Wenn es anschließend daran geht zu entscheiden, welche Ideen umgesetzt werden, sollte sich das Startup mit folgenden Fragen deutlich machen, ob die Idee echtes Potenzial für das Unternehmen besitzt.

1) Gibt es ein Bedürfnis, das mit der Idee befriedigt werden kann?

2) Liefert man mit der Idee einen Mehrwert, um dieses Bedürfnis zu befriedigen?

3) Besitzt das Unternehmen selbst die nötige Glaubwürdigkeit und Kompetenz, um sich mit der Idee positionieren zu können?

4) Kann das Unternehmen eine echte Lösung für das Problem anbieten?

Weist eine oder mehrere Punkte Schwächen auf, sollte die Auswahl dieser Idee noch einmal hinterfragt werden.

Fazit

"Business as usual“ ist keine Option, sagt Sofie Lindblom. Auch für Startups nicht.

Es kann schnell passieren, dass man sich als junges Unternehmen im Trott des Tagesgeschäfts verliert und dabei vergisst, sich für die Zukunft weiterzuentwickeln.

Deshalb ist es auch für Startups wichtig, systematisch neue Ideen zu entwickeln, um sich langfristig innovativ zu bleiben.

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Carmen_Radeck.jpg

Carmen Radeck ist Betreiberin der Seite RuhrGründer.de, eine der wichtigsten Online-Plattformen, die sich mit der Gründerszene in der Region befasst. Sie schreibt als Kolumnistin regelmäßig hier auf unserem Themen-Special über Tipps für Gründer, die brummende Branche, die neuesten Trends und die spannendsten Projekte.