Essen/Duisburg. Wirtschaftsminister traf den neuen Thyssenkrup-Chef López in Essen, um die Zweifel zu zerstreuen. Dennoch fehlt weiter grünes Licht aus Brüssel.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich zur staatlichen Milliarden-Förderung für Thyssenkrupp bekannt. Der Umstieg der Stahlindustrie in Duisburg auf eine klimaneutrale Produktion mit grünem Wasserstoff solle mit zwei Milliarden Euro vom Land und Bund unterstützt werden. Nachdem das Land NRW 700 Millionen Euro zugesagt hat, müsste der Bund rund 1,3 Milliarden Euro aufbringen. Am Anteil des Bundes waren zuletzt Zweifel laut geworden, das Ministerium erklärte nun, man stehe dazu.

Habeck war am Montag zu einem inoffiziellen Besuch in die Essener Zentrale des Industriekonzerns gekommen, um die Zweifel im Gespräch mit Konzernchef Miguel López auszuräumen. Am Abend wollte er sich in der Thyssenkrupp-Stahlstadt im Duisburger Norden mit Arbeitnehmervertretern treffen. Vor allem sie hatten zuletzt das Habeck-Ministerium scharf kritisiert und eine schnelle Bewilligung der zugesagten Fördersumme gefordert.

Arbeitnehmerseite fordert Klarheit von Habeck

„Die Zögerlichkeit der Bundesregierung ist existenzgefährdend“, hatte IG Metall-Vorstand Jürgen Kerner gewarnt, zugleich Vizechef des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats. Tekin Nasikkol, Gesamtbetriebsratschef von Thyssenkrupp Steel, hatte von „bröckelnden Zusagen“ Habecks gesprochen und eine Großdemonstration am 14. Juni angekündigt. Auch Bundestagsabgeordnete aus CDU und SPD hatten unserer Zeitung gegenüber Klarheit von Habeck gefordert, unter ihnen die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas.

podcast-image

„Unsere Haltung ist klar: Wir stehen zu unseren Zusagen und wollen die rund zwei Milliarden Euro Förderung möglich machen. Denn klar ist: Wir brauchen auch künftig eine Stahlproduktion in Deutschland und Europa“, erklärte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage unserer Zeitung nach Habecks Besuch in Essen. Zugleich betonte sie, dass die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission für die Subvention weiter ausstehe, die Prüfung laufe noch. „Dazu stehen wir im engen Austausch mit der Europäischen Kommission.“

Der neue Thyssenkrupp-Chef Miguel López dankte der Bundesregierung „für die anhaltende und entschlossene Unterstützung bei der grünen Transformation der Stahlproduktion“, wie er nach dem Treffen mit Habeck am Dienstag sagte. „Wir wissen diese Unterstützung sehr zu schätzen.“ López, der am 1. Juni den Vorstandsvorsitz von Martina Merz übernommen hat, betonte zugleich: „Allerdings brauchen wir jetzt zügig Planungs- und Rechtssicherheit für die Umsetzung der nächsten Schritte der grünen Transformation. Wir dürfen dabei keine Zeit verlieren.“

Auch interessant

Vor wenigen Tagen hatte López unserer Zeit gesagt, Thyssenkrupp brauche jetzt „rasch die angekündigte Förderzusage“, und sich damit an die Seite von IG Metall und Betriebsrat gestellt. Das Bundesministerium verweist aber weiter auf das fehlende grüne Licht aus Brüssel, ohne das es nicht gehe. So habe etwa die Salzgitter AG für ein ähnliches Vorhaben den Förderbescheid nur erhalten, weil die EU dieses Projekt bereits genehmigt habe.

Milliardenauftrag bereits vergeben

Wie Salzgitter will auch Thyssenkrupp in Duisburg eine Direktreduktionsanlage bauen, mit der die kohlebetriebenen Hochöfen überflüssig würden. Das Eisenerz wird zunächst mit Erdgas und, sobald verfügbar, mit Wasserstoff direkt zu kugelförmigem Eisenschwamm reduziert, der dann im Stahlwerk weiterverarbeitet werden kann. Die erste sogenannte DRI-Anlage soll in Duisburg Ende 2026 in Betrieb gehen, weitere folgen. Die Kosten werden auf deutlich mehr als zwei Milliarden Euro geschätzt, allein der Düsseldorfer Anlagenbauer SMS hat einen Auftrag im Wert von 1,8 Milliarden Euro erhalten.

Auch interessant

Der Traditionskonzern konnte mit den Arbeiten bereits beginnen, weil das Bundeswirtschaftsministerium einem vorzeitigen Maßnahmenbeginn auf eigenes Risiko zugestimmt hatte, durch den die Förderzusage unberührt bleibt. „Die Gewährung eines vorzeitigen Maßnahmenbeginns ist ausdrücklich keine Förderzusage“, betonte die Ministeriumssprecherin, diese könne erst nach der Zustimmung der EU erfolgen, um die man sich sehr bemühe.

Thyssenkrupp sieht sich unter großem Zeitdruck

Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:

Das Ringen um die Fördermilliarden war in den vergangenen Wochen vor allem deshalb hektischer geworden, weil dem Konzern nach Darstellung der Arbeitnehmerseite die Zeit davonläuft. Denn ohne Förderbescheid oder eine Kürzung der Fördersumme werde im Aufsichtsrat des Gesamtkonzerns eine Diskussion über die Rücknahme der Investitionsentscheidung beginnen, warnte sie. Es sei nur „mit Mühe gelungen, die Entscheidung um einen Monat auf den 23. Juni zu schieben“, hieß es. Da sich das Ministerium zuletzt nicht mehr zur Fördersumme äußern wollte, dürfte Habecks Bekenntnis zu den insgesamt zwei Milliarden nun mit Erleichterung aufgenommen worden sein.