Essen. Niederlage für das Land: Verwaltungsgericht Düsseldorf gibt drei Klagen gegen Rückzahlung von Coronahilfen Recht. Repräsentativ für 500 Fälle.
Gründlichkeit vor Schnelligkeit – dieser bürokratische Grundsatz passte vor gut zwei Jahren so gar nicht zur Dramatik der beginnenden Corona-Pandemie. Der damalige liberale Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart brachte stattdessen eine Soforthilfe für Kleinunternehmer an den Start, die unbürokratischer und schneller ausgezahlt wurde als in allen anderen Bundesländern. Zu viel gezahltes Geld wollte sich das Land später zurückholen. Doch genau das drohen Formfehler und Missverständlichkeiten nun zu verhindern.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf gab am Dienstag zwei Klägern und einer Klägerin Recht, die einen Großteil ihrer Soforthilfe von 9000 Euro wieder zurückzahlen sollten, sich dagegen aber wehrten. Ihre Fälle seien repräsentativ für die meisten der noch rund 500 anhängigen Klagen behandelt worden, betonte das Gericht. Weil die Praxis der Bezirksregierungen bei der Schlussabrechnung der Soforthilfe damit grundsätzlich in Frage steht, wurde Berufung beim Oberverwaltungsgericht zugelassen.
Schnell und unbürokratisch 9000 Euro
Anders als andere Bundesländer hielten sich die Behörden in NRW auf Geheiß Pinkwarts nicht lange mit Prüfungen auf, um eine angemessene Höhe der Soforthilfe zu ermitteln, sondern gewährten grundsätzlich den Höchstbetrag von 9000 Euro für Kleinstbetriebe mit bis zu fünf Beschäftigten und 15.000 Euro für Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten. In NRW erhielten auch Mittelständler mit bis zu 50 Beschäftigten Soforthilfe – 25.000 Euro. Mit ausgezahlten 4,5 Milliarden Euro für rund 430.000 Betriebe war es das größte Hilfsprogramm der Landesgeschichte.
Doch die schnelle unbürokratische Hilfe zog später umso mehr Bürokratie nach sich. Die Frist für die Rückmeldung der Empfänger wurde nach ersten Protesten immer wieder verlängert. Jeder Empfänger musste nachweisen, wie viel Geld er wirklich benötigte – und sollte den Rest zurückzahlen. Die Endabrechnung der Bezirksregierung schockierte viele. Und einige zu Recht, entschied nun das Verwaltungsgericht. Ein Imbiss-Betreiber, eine Kosmetikerin und auch ein Steuerberater müssen dem Urteil zufolge (AZ: 20 K 7488/20, 20 K 217/21 und 20 K 393/22) die jeweils zurückgeforderten rund 7000 Euro nicht zahlen.
Verlust oder Umsatz? Missverständliche Formulierungen
Grund ist, dass sie nach Überzeugung des Gerichts bei der Bewilligung durch dieselbe Bezirksregierung nicht ahnen konnten, dass sie einen Großteil würden zurückzahlen müssen. Dafür verantwortlich macht es indirekt das Wirtschaftsministerium. So hätten die Hinweise auf der Seite des Ministeriums und der Antragsvordruck den Eindruck vermittelt, die Höhe der Hilfe bemesse sich am Umsatz. Alle drei Betriebe hatten erhebliche Umsatzeinbußen oder mussten wie der Gastronom und die Kosmetikerin ihren Betrieb wegen der Corona-Auflagen zeitweilig schließen.
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In den Schlussbescheiden gewährte die jeweilige Bezirksregierung dann aber nur rund 2000 Euro und begründete dies mit der geringen Höhe der Verluste. Die Voraussetzung tatsächlicher „Liquiditätsengpässe“ für die Gewährung der Hilfe in den Schlussbescheiden stimme nicht mit der Verwaltungspraxis in den Bewilligungsbescheiden überein, damit seien die Rückforderungen in den Schlussbescheiden rechtswidrig, urteilten das Verwaltungsgericht.
Ministerium prüft das Urteil
Das inzwischen von der Grünen-Politikerin Mona Neubaur geführte Wirtschaftsministerium erklärte am Abend, die Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zur Kenntnis zu nehmen. Man werte „mögliche Auswirkungen auf das Förderverfahren aus“. Zudem betonte das Ministerium, dass die Entscheidungen noch nicht rechtskräftig seien, ob das Land in Berufung geht, ließ es aber noch offen.