Bochum. Bochumer Wohnungsriese muss seine Gebäude abwerten. Konzernchef Buch fordert neue Regeln für niedrigere Bauzinsen und Lockerung der Mietbremsen.

Die Immobilien des größten deutschen Wohnungskonzerns verlieren dramatisch an Wert: Vonovia musste allein von April bis Juni weitere 2,7 Milliarden Euro auf seinen Bestand abschreiben und erlitt damit im zweiten Quartal erneut massive Verluste. Im ersten Halbjahr türmen sich die Wertabschreibungen damit auf 6,1 Milliarden Euro. Das teilte der Bochumer Dax-Konzern am Freitagmorgen mit. Konzernchef Buch fordert mehr Unterstützung aus der Politik für die Branche und eine Lockerung der Mietbremsen.

Die Zinswende im vergangenen Sommer hat den Immobiliensektor in voller Härte getroffen. Steigende Finanzierungskosten drücken in Verbindung mit der hohen Inflation und der Konjunkturschwäche den zuvor regelmäßig gestiegenen steigenden Wert der Immobilien erstmals wieder nach unten, der Vonovia-Bestand ist nun noch rund 88 Milliarden Euro wert. Das wiegt derzeit deutlich schwerer als das stabil laufende Vermietungsgeschäft, weshalb Vonovia auch im zweiten Quartal einen Nettoverlust von rund zwei Milliarden Euro einfuhr, insgesamt beträgt das Minus in diesem Jahr damit bereits 4,1 Milliarden. Im Vorjahreszeitraum hatten die Bochumer noch 1,8 Milliarden Euro Gewinn gemacht.

Vonovia-Chef Buch sieht Talsohle der Immobilienkrise in Sicht

Vonovia-Chef Rolf Buch sagte, es gebe erste Anzeichen dafür, dass die Talsohle bei den Immobilienpreisen in Sicht sei und der Trend zur Abwertung sich abschwäche. Am Markt sei zu beobachten, dass Verkäufer und Käufer wieder häufiger zusammenfinden. Das bremst den Preisverfall der vergangenen Monate ab. Eine baldige Wende sehen auch andere seit wenigen Wochen, darunter das Portal Immoscout und nun das Kieler Wirtschaftsforschungsinstitut IfW. Dessen German Real Estate Index (Greix) stabilisierte sich im zweiten Quartal erstmals wieder: Die Preise für Eigentumswohnungen sanken noch leicht gegenüber dem Vorquartal, Ein- und Mehrfamilienhäuser waren aber schon wieder etwas teurer.

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„Überaus zufrieden“ zeigte sich Buch mit dem laufenden Geschäft: Der operative Gewinn (Ebitda) aus der Vermietung von Wohnungen stieg im zweiten Quartal um gut zehn Prozent auf 618 Millionen Euro an. Die Marktmieten erhöhte der Branchenführer im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,5 Prozent. Die durchschnittliche Kaltmiete stieg bei Vonovia durch Neubau und Modernisierungskosten insgesamt um 3,5 Prozent auf 7,58 Euro.

Bei rund zwei Prozent Leerstandsquote ist Vonovia „faktisch vollvermietet“, so der Konzern. Und das bei einer auch durch die hohe Zuwanderung deutlich steigenden Nachfrage und wachsender Wohnungsnot. „Wir erhalten täglich verzweifelte Anrufe von Menschen, die dringend eine bezahlbare Wohnungen brauchen“, sagt Buch. Deshalb sei es so wichtig, den Neubau auch mit staatlicher Hilfe anzukurbeln.

Vonovia-Chef fordert niedrigere Bauzinsen

„Das Problem ist inzwischen so gewaltig, dass einzelne Maßnahmen nicht mehr reichen. Wir brauchen ein Gesamtpaket der Bundesregierung, um die Baukosten wieder auf ein Niveau zu senken, bei dem sich Neubau wieder lohnt“, sagte Buch im Gespräch mit unserer Zeitung. Es gebe in Berlin zwar gute langfristige Ansätze, etwa die Förderung für serielles Bauen. „Aber wir brauchen heute Lösungen.“ Besonders wichtig: „Die Bauzinsen müssen runter, da muss die Politik ran, wenn der Neubau kurzfristig wieder in Gang kommen soll“, fordert Buch und nennt Frankreich als Vorbild. Dort gebe es „vergünstigte Darlehen für den Wohnungsbau oberhalb des Sozialwohnungsbaus und damit für Menschen mit mittleren Einkommen“.

Zudem fordert er eine Eingrenzung der Mietbremsen: „Die Mietpreisbremsen in den Metropolstädten sollen die Leistungsträger ohne hohes Einkommen schützen, da bin ich sehr dafür, aber nicht jeden unabhängig davon, wie hoch sein Einkommen ist. Aktuell schützen die Mietbremsen auch den Gutverdienenden in Berlin, Hamburg und Frankfurt. Das sollte man ändern“, sagte Buch. Zudem seien 40 Prozent der Baukosten „staatlich intendiert“, vor allem durch Mehrwert- und Grunderwerbsteuern. „Wir müssen aber bei größeren Neubauten auch Kindergärten und Spielplätze bauen. Hier ist zu hinterfragen, ob die Bauträger und damit letztendlich Mieterinnen und Mieter diese hohen Kosten tragen sollen.“

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Buch kritisierte erneut auch die Förderpläne für die Wärmewende in der Bundesförderung Effiziente Gebäude (BEG), weil sie Mehrfamilienhäuser gegenüber Eigenheimen benachteilige. „Das trifft am Ende unsere Mieterinnen und Mieter – und damit viele Menschen mit unteren und mittleren Einkommen. Von einer SPD-geführten Bundesregierung hätte ich erwartet, dass sie diese Menschen in den Blick nimmt. Das kann so nicht bleiben“, schimpfte Buch.

Baukrise und Zuwanderung lassen Wohnungsnot weiter wachsen

Die Wohnungsnot droht sich weiter zu verschärfen. Bei inzwischen mehr als einer Million Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind und einer gleichzeitig historisch niedrigen Neubautätigkeit wächst der Druck auf den Wohnungsmarkt. Wer aktuell suche, benötige „Geduld und Glück“, sagte Buch. Bei Neuvermietungen langen die Hausbesitzer deshalb auch bereits kräftig zu: Die Mieten sind in solchen Fällen im Ruhrgebiet zuletzt besonders stark gestiegen, wie eine Immowelt-Auswertung ergab.

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Prognosen befürchten einen Neubau-Einbruch im kommenden Jahr auf 177.000 Wohnungen – das wäre nicht einmal die Hälfte des von der Bundesregierung vorgegebenen Ziels von jährlich 400.000 neuen Wohnungen. Auch Vonovia hat seine Neubautätigkeit in den vergangenen Monaten deutlich eingeschränkt. Im zweiten Quartal stellte der Marktführer rund 400 Wohnungen fertig.