Essen. Vor allem chronisch Kranke haben sich laut Betriebskrankenkassen mit Medikamenten bevorratet. Antibiotika sind seltener verschrieben worden.

In der Corona-Krise haben die Menschen in NRW offenbar verstärkt Arzneimittelvorräte angelegt. Das zeigt die Quartalsbilanz des Landesverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) Nordwest. Danach sind die Arzneimittelausgaben für Versicherte in NRW im ersten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahr um rund zehn Prozent gestiegen. Die Anzahl der von NRW-Ärzten verschriebenen Medikamentenpackungen stieg um elf Prozent.

Besonders zu Beginn der Pandemie haben sich BKK-Versicherte überdurchschnittlich stark mit Medikamenten eingedeckt: Im März stiegen die Arzneimittelausgaben im Vergleich zum Vorjahr um knapp 28 Prozent, Ärzte mit Sitz in NRW verordneten um 27 Prozent mehr Medikamentenpackungen.„Spitzenreiter waren die Medikamente gegen chronische Erkrankungen wie z.B. Bluthochdruck, Schilddrüsenerkrankungen und Diabetes“, heißt es vom BKK-Landesverband Nordwest.

Ärzte verschrieben chronisch Kranken größere Medikamentenmengen

Das liegt laut Betriebskrankenkassen vor allem daran, „dass sich viele chronisch Kranke vorausschauend bevorratet“ haben. Denn bereits im März sei insbesondere Menschen aus Risikogruppen geraten worden, den Kontakt zu Ärzten und Krankenhäusern möglichst gering zu halten. In der Folge hätten Ärzte vermehrt größere Medikamentenpackungen verordnet, damit ihre Patienten länger versorgt sind. Auch wegen befürchteter Lieferengpässe bei Arzneimittelherstellern aus dem Ausland sei dieses Vorgehen empfohlen worden. Seit April geht die Anzahl der Medikamentenverordnungen nun langsam wieder zurück.

Corona – So sollen mehr Arzneimittel aus Deutschland kommenBei den Antibiotika dagegen sind die Arzneimittelausgaben (um 10 Prozent) und die Menge der verordneten Packungen (um 13 Prozent) in NRW im ersten Quartal 2020 insgesamt zurückgegangen. Einen Grund dafür sieht der BKK-Landesverband Nordwest darin, dass Versicherte den Arztbesuch, wenn möglich, vermieden hätten. Aber auch verschiedene Informationskampagnen hätten Wirkung gezeigt. „Oft werden immer noch Antibiotika verschrieben, obwohl sie nicht notwendig sind. Antibiotika helfen nur bei bakteriellen Infektionen, nicht bei einem Virus“, erklärt eine BKK-Nordwest-Sprecherin den Hintergrund der Kampagnen. Trotz des Rückgangs würden in NRW aber immer noch vergleichsweise viele Antibiotika verschrieben – zum Beispiel rund 30 Prozent mehr als in Brandenburg.

Krankenkassen warnen: Preise auf dem Arzneimittelmarkt entwickeln sich nach oben

Der BKK-Landesverband Nordwest warnt außerdem, dass sich die Preise auf dem Arzneimittelmarkt nach oben entwickelten. Das liege daran, dass immer mehr neue Therapien auf den Markt kämen. Ein prominentes Beispiel ist die „2-Millionen-Euro-Spritze“ der Firma Zolgensma gegen Spinale Muskelatrophie bei Kindern. Aber auch neue Therapien gegen Krebserkrankungen und sogenannte „Orphan Drugs“, Mittel gegen seltene Erkrankungen, kommen auf den Markt. Hersteller können den Preis eines Arzneimittels im ersten Jahr nach Markteinführung frei festlegen. Der BKK-Landesverband Nordwest fürchtet deshalb, dass „neben den Ausgaben im Covid-19-Kontext weitere Belastungen auf die gesetzlichen Krankenkassen zukommen werden.“