Essen/Mülheim. . Nach der Ankündigung der Mülheimer Tengelmann-Gruppe, ihre 451 Supermärkte an Edeka zu verkaufen, warnen Handelsexperten vor negativen Folgen für die Verbraucher. Kunden könnten künftig nur noch zwischen den beiden Riesen Edeka und Rewe wählen. Auch die Preise könnten steigen.

Am Tag nach der historischen Entscheidung, das Supermarktgeschäft an Edeka zu verkaufen, ist der Schock unter den Mitarbeitern einer Tengelmann-Filiale in Mülheim mit Händen zu greifen. Sie stecken die Köpfe zusammen. In dem Laden verbreitet sich eine seltsame Stille.

Was wird aus den fast 16.000 Beschäftigten und den 451 Filialen? In der Hamburger Edeka-Zentrale verbreitet Vorstandschef Markus Mosa Zuversicht, dass die Märkte unter selbstständigen Kaufleuten fortgeführt werden. Doch ob es überhaupt zu der Übernahme kommen wird, liegt allein im Ermessen des Bundeskartellamts, das den Konzentrationsprozess im deutschen Einzelhandel seit Jahren mit Argwohn und hohen Auflagen verfolgt.

Zweifel an Zustimmung des Kartellamts

Der Handelsexperte Thomas ­Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat daran erhebliche Zweifel. „Ich kann nicht erkennen, dass das Kartellamt jetzt etwas genehmigt, was es 2007 abgelehnt hat“, sagte der Professor dieser Zeitung.

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Im Jahr 2007 verkaufte die Unternehmensgruppe Tengelmann ihren Discounter Plus an die Edeka-Tochter Netto. Unter Auflagen wurde der Deal genehmigt. Eine Einkaufskooperation, die beide Partner für ihr Supermarktgeschäft anstrebten, lehnten die Wettbewerbshüter allerdings strikt ab. Roeb: „Wenn damals schon eine Einkaufsgemeinschaft verboten wurde, kann jetzt keine Übernahme genehmigt werden.“

Erst am 24. September hatte das Kartellamt die Ergebnisse einer Sektoruntersuchung veröffentlicht. Danach teilen sich die vier großen Anbieter Edeka, Rewe, Aldi und Lidl 85 Prozent des deutschen Lebensmittelhandels. Auf die Rolle des Marktführers Edeka, der jetzt auch noch die 1,6 Milliarden Euro Umsatz von Kaiser’s/Tengelmann schlucken will, kommen die Wettbewerbshüter in dem Bericht besonders zu sprechen. „Edeka weist im Verhältnis zu ihren jeweiligen nächsten Wettbewerbern eine etwa doppelt so hohe Gesamtverkaufsfläche sowie eine doppelt so hohe Standortdichte auf“, heißt es darin. Edeka sei der „bei Weitem führende Anbieter in Deutschland“.

Weniger Wahlmöglichkeiten

Nach Zahlen der Handelsforscher von Trade Dimensions kam die Edeka-Gruppe im vergangenen Jahr auf einen Gesamtumsatz von 50,9 Milliarden Euro. Abgeschlagen dahinter folgte mit Rewe und 37,1 Milliarden Euro die Nummer 2. Die gesamte Tengelmann-Gruppe kam auf 7,4 Milliarden Euro.

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Angesichts der Größe des Partners Edeka unterstrich Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub nicht von ungefähr, dass seine Supermarktsparte nur 0,6 Prozent am deutschen Markt ausmache. Edeka war nach seinen Worten das einzige Unternehmen, das sich für Kaiser’s/Tengelmann interessierte. Will er für seine Mitarbeiter überhaupt eine Zukunftsperspektive aufzeigen, ist Haub auf die Zustimmung des Kartellamts angewiesen.

Filialschließungen möglich

Doch damit wären längst nicht alle 451 Filialen gerettet. „Die Frage wird sein, ob Edeka Betreiber für die Kaiser’s/Tengelmann-Märkte findet. Es kann auch zu Filialschließungen kommen“, sagt Matthias Queck, Handelsforscher beim Institut Planet Retail. Er kann der geplanten Übernahme aber auch etwas Positives abgewinnen: „Selbstständige Supermärkte von Edeka haben eine viel bessere Entwicklung genommen als Regiebetriebe. Deshalb könnte es durch die Kaiser’s/Tengelmann-Übernahme einen größeren Schub geben.“

Während Edekas Marktmacht bei Verhandlungen mit Lieferanten weiter steigt, könnten die Verbraucher die Verlierer des Zusammenschlusses sein. „An Standorten, wo es nur eine Edeka- und eine Tengelmann-Filiale gibt, besteht die Gefahr, dass die Preise steigen“, sagt Queck. Und: „Die Tendenz verstärkt sich, dass Kunden nur noch zwischen den Vollsortimentern Edeka und Rewe wählen können.“ Von dieser Konzentration, so der Experte, könnten wiederum die Discounter profitieren, von denen sich mit Aldi, Lidl, Netto, Penny und Norma immerhin noch fünf einen Wettbewerb liefern.