Essen. Der Fahrgastverband “pro Bahn“ erhebt massive Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn: “Die Bäume stehen zu dicht an den Gleisen“. Deshalb müsse das Grün radikal zurückgeschnitten werden. Bei einem offenen Autoreisezug habe es in NRW schon einen sechsstelligen Schaden gegeben, weil Autos durch Sträucher am Streckenrand zerkratzt worden seien.
Nach dem zweiten großen Unwetter-Chaos in diesem Sommer im Ruhrgebiet macht der Fahrgastverband „pro Bahn“ Deutschen Bahn AG massive Vorwürfe. „Die Sache ist einfach: Die Bäume stehen zu dicht an den Gleisen“, sagt Pro-Bahn-Sprecher Lothar Ebbers gegenüber dem Online-Portal der Funke Mediengruppe. „Bäume fliegen ja nicht in die Gleise. Sie fallen. Die Bäume dürfen also nicht höher sein als die Entfernung zu den Gleisen“.
Dichter Baumbestand sei nicht nur an der stark befahrenen Hauptstrecke durchs Revier der Fall, die teilweise bis in den gestrigen Abend nur mit großen Verzögerungen und eingeschränkt befahrbar war. Auch und gerade die S-Bahnlinie 6 zwischen Essen über Kettwig nach Düsseldorf sei „dicht bewachsen“.
Bundesweit soll das Grün an den Strecken zurückgeschnitten werden
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Lothar Ebbers: „Das hat sich nach dem Sturm ‚Ela’ in diesem Sommer gezeigt, wo lange Sperrungen dieser Abschnitte nötig waren. Schon der Orkan Kyrill 2007 hat auf dieser Strecke nicht nur Bäume gefällt, sondern sogar Leitungsmasten“.
Ebbers gibt der Entwicklung seit der Bahnreform 1994 die Schuld an der Entwicklung. Seither sei das Gewicht mehr auf Einsparungen gelegt worden als auf eine ordentliche Instandsetzung. Er verweist auf eine Analyse des Experten, langjährigen DB-Regionalmanagers und heutigen Bahnen-Beraters Hans Leister.
Leister hat in einem Beitrag für die jüngste Ausgabe der Schweizer „Eisenbahn Revue International“ eine „große, bundesweite Kraftanstrengung“ gefordert, um Grün an den Strecken zurückzuschneiden und dies auch auf privatem Grund zu tun – notfalls nach einer Gesetzesänderung.
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Er kritisiert aber vor allem das Instandsetzungsmanagement der Bahn AG scharf: „DB Netz muss sich fragen lassen, wieso die Vegetation entlang den Strecken über die letzten beiden Jahrzehnte nicht so kontrolliert wurde, dass“ - wie bei ‚Ela’ – „eine Blockade der Bahnnetze eines ganzen Bundeslandes über eine Woche verhindert worden wäre“.
Bei stärkeren Winden oder Unwettern fielen Äste oder Bäume in die Oberleitungen
Seit der Bahnreform 1994 stünden „in ganz Deutschland entlang den Bahnstrecken riesige Bäume in unmittelbarer Nähe der Bahntrassen“. Schon bei stärkeren Winden oder Unwettern fielen Äste oder Bäume in die Oberleitungen. „Das hat Streckensperrungen zur Folge und gefährdet Leben und Gesundheit der Lokomotivführer“. Es sei aber auch wirtschaftlich gesehen nicht sinnvoll, „das Grünzeug im Gleis und links und rechts der Bahn zehn Jahre ins Kraut schießen zu lassen“.
Die Ursache liegt nach Angaben des Experten 20 Jahre zurück: 1994 sei die bis dahin übliche Vegetationskontrolle mit dem regelmäßigen Beschneiden des Grüns links und rechts der Strecken eingestellt und aus finanziellen Gründen durch eine „periodische Großinstandsetzung“ ersetzt worden, für die nicht mehr die Bahn die laufenden Kosten, sondern der Bund über Investitionszuschüsse zahlen müsse.
Autos auf offenem Transportwagen von Strauchwerk zerkratzt
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Laut Leister ist es wegen dieser Politik schon vor einigen Jahren im Ruhrgebiet zu einem bemerkenswerten Zwischenfall gekommen. Ein Autoreisezug sei dort über eine selten befahrene Nebenstrecke umgeleitet worden. „Die benutzten Gleisanlagen waren von Strauchwerk derart zugewuchert, dass die Autos auf den offenen Transportwagen massiv zerkratzt wurden und ein Schaden in sechsstelliger Höhe entstand“.
Der Bahnmanager Thomas Hempe, der zuständig ist für den Streckenoberbau des Staatsunternehmens, spricht dagegen von einem „Zielkonflikt“, in dem die Bahn stecke. Tatsächlich setze die Bahn seit 2007 einen Pflegeplan um. „Auf sechs Meter Breite zu beiden Seiten wird die Vegetation einmal im Jahr beseitigt“. Standsichere Bäume jenseits der sechs Meter dürften aber bleiben. 52 000 Kilometer Strecke von insgesamt 59 000 seien derzeit in solcher Pflege. Auf Strecken, die noch nicht gepflegt seien, gebe es ein Tempolimit bei starkem Wind. „2018 sollen die letzten Strecken durchgearbeitet sein“, verspricht Hempe.