Frankfurt/Main. . Überraschung im Tarifkonflikt der Lufthansa. Verhandeln statt streiken heißt offenbar die neue Losung der Pilotengewerkschaft. Auch vorher aber war bereits klar: Arbeitsniederlegungen treffen die Lufthansa längst nicht mehr unvorbereitet.
Tausende Passagiere hatten sich bereits auf die fünfte Streikwelle der Lufthansa-Piloten an diesem Dienstag eingestellt. Nur gut zwölf Stunden zuvor kam am Montagabend aber eine überraschende Nachricht: Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) sagte den Streik am Frankfurter Flughafen ab.
Warum haben die Piloten die Streiks doch wieder abgesagt?
Die Lufthansa hatte angekündigt, dass am Dienstag sämtliche Langstreckenflüge stattfinden sollen, die Cockpit ursprünglich bestreiken wollte. Dabei handelt es sich um 40 Verbindungen ab Frankfurt im Zeitraum zwischen 9 und 17 Uhr. Die Lufthansa hatte aber mitgeteilt, es könne zu Verspätungen kommen. Unklar war am Abend zunächst, wie die Lufthansa auf die neue Lage reagiert.
Die Airline hatte bereits an vorangegangenen Streiktagen Management-Piloten und Freiwillige eingesetzt. Zudem hatte die Lufthansa ein konkretisiertes Angebot zum umstrittenen Vorruhestand für die Piloten vorgelegt. VC-Sprecher Jörg Handwerg sagte, dieses "modifizierte Angebot" sei "diskussionswürdig".
Was hatte die Lufthansa vorgelegt?
Die Lufthansa hatte komplexe Berechnungsgrundsätze veröffentlicht, nach denen die einzelnen Piloten in den überarbeiteten Vorruhestand treten könnten. Von ihren grundsätzlichen Forderungen nach einem späteren individuellen Eintritt (60 statt 55 Jahre) sowie einer Anhebung des durchschnittlichen Eintrittsalters (von 58 auf 61) wich die Lufthansa aber nicht ab.
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Die Pilotengewerkschaft will die Übergangsversorgung auf dem heutigen Stand beibehalten. Derzeit gehen die rund 5400 Piloten und Co-Piloten im Schnitt mit knapp 59 Jahren in den vom Unternehmen bezahlten Vorruhestand - also sechs Jahre vor dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze. Einzelne können schon ab 55 in den Vorruhestand wechseln.
Welche Bedeutung haben Langstreckenflüge für die Lufthansa?
Die Lufthansa-Piloten hatten ursprünglich die Verbindungen der Lufthansa über ihr wichtigstes Drehkreuz Frankfurt in alle Welt bestreiken wollen. Die interkontinentalen Verbindungen bilden das organisatorische und wirtschaftliche Rückgrat der größten Airline Europas mit ihrem globalen Netzwerk.
Wie funktioniert das Lufthansa-System?
Die Lufthansa war lange Zeit ein klassischer Netzwerk-Carrier, der seine Verbindungen über ein zentrales Drehkreuz (englisch: Hub) organisierte. Von diesem Mittelpunkt gehen die langen Interkontinentalflüge raus und kommen dort auch wieder rein. Eine ganze Reihe kleinerer Jets bringt Fluggäste an das Drehkreuz und holt sie dort auch wieder ab. Es ist durchaus üblich, dass in einem Lufthansa-Jet beispielsweise nach Los Angeles Passagiere aus 30 oder mehr Zulieferflügen sitzen.
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Wegen fehlender Kapazitäten in Frankfurt hat Lufthansa den Flughafen München zum zweiten Interkont-Hub ausgebaut. Dazu kamen nach der Übernahme der Gesellschaften Swiss und Austrian deren Heimatflughäfen Zürich und Wien, so dass der Lufthansa-Konzern inzwischen über ein "Multi-Hub-System" in Mitteleuropa verfügt. Auch in Düsseldorf starten Langstreckenjets.
Wie viele Flüge wären durch die erneuten Streiks gefährdet gewesen?
Laut VC sollten Langstreckenflüge ab Frankfurt mit den Flugzeugtypen Boeing 747 sowie Airbus A380, A340 und A330 bestreikt werden. In der ursprünglichen angekündigten Streikzeit zwischen 09.00 und 17.00 Uhr stehen rund 40 Verbindungen im Flugplan.
Wie hatte die Lufthansa zunächst reagiert?
Für rund die Hälfte der Abflüge wurden die Abflugzeiten nach vorne oder hinten außerhalb des Streikzeitraums verlegt, so dass die vorgesehenen Crews fliegen. Die andere Hälfte wollte Lufthansa mit Freiwilligen und sogenannten Managementpiloten bestreiten. Leihpiloten wären nicht im Einsatz gewesen, sagte ein Sprecher.
Wären noch andere Maßnahmen möglich gewesen?
Lufthansa kann auch Fluggäste auf andere Verbindungen umbuchen. Vor allem nach Nordamerika, aber auch nach Asien gibt es vielfältige Alternativen mit anderen Gesellschaften, die teilweise mit Lufthansa in der "Star Alliance" verbunden sind. Passagiere werden im Falle eines Streiks aber auch auf andere Airlines umgebucht. Vor allem soll vermieden werden, dass Passagiere nach Frankfurt kommen, die hier sicher ihren Interkontinentalflug verpassen würden. Sie werden auch über ganz andere Flughäfen geleitet.
Können alle Flüge an diesem Dienstag nach Plan fliegen?
Die Lufthansa will weitgehend nach Plan fliegen. Allerdings bleibt es bei der Änderung, dass am Morgen sieben Flüge vom Frankfurter Flughafen aus früher losgehen. Das sagte ein Sprecher der Lufthansa am Montagabend. Die Passagiere seien bereits über die Änderungen informiert worden, eine erneute Information sei nicht mehr machbar, dies würde nur zu einer "Konfusion" führen. Die Lufthansa versuche zudem, bei Verbindungen im Tagesverlauf mögliche Verspätungen zu vermeiden. (dpa)