Essen. Karstadt steckt in der Krise. Was der neue Eigentümer René Benko mit den 83 Warenhäusern plant, ist völlig offen. Die Geister streiten sich, auf welche Klientel und Sortimente der Essener Konzern künftig setzen soll. Redakteure schildern ihre persönlichen Tops und Flops mit Karstadt.

Karstadt hat schon wieder einen neuen Eigentümer und in den vergangenen Jahren viele neue Chefs bekommen, aber die alten Probleme weitgehend behalten. Experten lassen sich dieser Tage über Fehler im Management, Schwächen im Sortiment und eine unklare Zielgruppe aus. Über allem die eine große Existenzfrage: Ist das Warenhaus an sich überhaupt noch zeitgemäß? Am Ende über Wohl und Wehe entscheiden müssen aber die Kunden, die manchmal sehr persönliche Gründe dafür haben, zu Karstadt zu gehen oder eben nicht. Wie auch diese fünf Kollegen aus unserer Redaktion. Hier berichten sie, womit Karstadt nach wie vor auftrumpfen kann – und womit nicht:

Luxustempel in Düsseldorf, aber nicht mehr alle Waren

Karstadt kann auch richtig – nicht nur in Berlin, Hamburg und München. Im Herbst ging das neue "Flaggschiff" nahe der Kö an den Start. Nach zweijähriger Umbauzeit ist vom vertrauten Karstadt nichts mehr übrig. Entstanden ist ein Luxustempel, der zumindest vom Ambiente mit dem Edel-Wettbewerber Breuninger in Steinwurfnähe mithalten kann. Allerdings bleibt sich Karstadt treu und bietet nicht nur Mode, sondern auch Haushaltswaren, Spielzeug und andere Dinge, die man von einem Warenhaus erwartet, an. Besonders auf ihre Kosten kommen Damen, die nie genügend Schuhe haben können. Gestapelte Kartons sucht man bei Karstadt in Düsseldorf vergeblich. Die Mode für die Füße wird ganz neu präsentiert.

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Wer ein Warenhaus alter Schule gewohnt ist, wird sich bei Karstadt in Düsseldorf nur schwer orientieren können. Und dass sich der Essener Konzern im vergangenen Jahr von Multimedia, Büchern, Gardinen und Beleuchtung getrennt hat, dürfte sich rächen, weil die Kunden eben doch nicht alles bei Karstadt finden, was man in einem Warenhaus erwartet. Frank Meßing

Mülheim bietet Feinkost auf letzten Drücker - Spielwaren sind aber oft teuer

Angestaubtes Image, schroffe Verkäuferinnen? Mag sein. Doch Beratungsqualität ist relativ. Amerikanisch lächelnde Verkäuferinnen, die jeden Fummel an mir super schick finden, sind nicht so mein Ding. Anders die etwas reifere Dame bei Karstadt, neulich im Mülheimer Rhein-Ruhr-Zentrum. "Ich brauch die Hose in 30er Länge und 31er Bund", sage ich. Es folgt ein ernster Blick auf die Mitte meines Körpers und der dreiste Satz: "Ich bring' Ihnen mal 34." Frechheit, denke ich. "Danke" sage ich nach der Anprobe. Die Dame hat mein Hosen-Problem gelöst. Schon mehrfach gerettet hat Karstadt mein Vorspeisen-Problem an Heiligabend. Frische Jakobsmuscheln und bestes Zanderfilet auf den letzten Drücker gibt’s in meiner Nähe aus Ermangelung an Fisch-Feinkostläden nur bei Karstadt.

Gar nicht gut ist die große Auswahl in der Spielwarenabteilung. Denn die Sachen gibt’s im Internet weit billiger, was den werten Kindern mit ihren großen "Will-ich-haben-Augen" herzlich egal ist. Stefan Schulte

Bottrop bietet Schmuck und nette Gesten, hat aber zu früh Ladenschluss

Gut ist, dass ich meine Armbanduhr mit dänischem Design direkt im Bottroper Karstadt kaufen konnte und nicht seitenweise Online-Kataloge von Großversendern wälzen musste. Dass ich als nette Geste einen Gutschein für einen Kaffee dazu bekam. Dass ich eine neue Batterie für die Uhr noch immer an Service-Tagen auswechseln lassen kann.

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Das finde ich richtig schlecht an Karstadt: den zu frühen Ladenschluss. Norbert Jänecke

Essen mit tollen Kurzwaren, aber teurer Drogerieabteilung

Garn in allen Farben, hübsche Knöpfchen, praktische Ösen oder Zwillingsnadel und Glühbirne für die Nähmaschine – bei der Suche nach Handarbeitszubehör ist auf Karstadt in Essen Verlass. Beim Stöbern in der Kurzwarenabteilung landen dann gerne noch Sockenwollknäuel für ein flauschiges neues Paar oder andere Kinkerlitzchen in der Einkaufstüte.

So sehr die Kurzwaren locken, so abschreckend sind in den Karstadt-Warenhäusern die Drogerieabteilungen. Vielleicht stimmt zwar die Produktauswahl und der Kunde findet, was er braucht. Die Preise aber: Wucher! Kein Wunder, dass da die meisten lieber in den großen Drogerieketten ganz in der Nähe einkaufen gehen. Jennifer Kalischewski

In Dortmund findet man Spritztüllen in Hülle und Fülle

Zugegeben, Spritztüllen-Sets gibt’s auch auf hobbybaecker.de oder kondiback24. Aber wer will bei Backdingen schon die Katze im Sack, besser gesagt: im Spritzbeutel kaufen (den brauchen wir natürlich auch)? So etwas muss man in Augenschein nehmen können. Also raus aus dem Netz und rein ins Einkaufsgetümmel. Auf zu Karstadt! Denn wo sonst sollte man Küchenzeugs finden, wenn nicht im guten alten Kaufhaus, das viele längst für tot halten. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger, jedenfalls in Dortmund. Wer sich ins Karstadt-Gewusel am Westenhellweg stürzt, will nicht ernsthaft glauben, dass diese Warenhaus-Welt in dicken Schwierigkeiten steckt. Bis in Etage vier muss sich hinaufkämpfen, wer Haushaltswaren will. Vorbei an den Parfümwolken der Beauty-Abteilung, der Herrenwäsche, den Elektrogroß- und -kleingeräten, dem Kunden-WC. Doch dann steht man verblüfft vor: Spritztüllen in Hülle und Fülle. Wer vermisst da das Internet?

Zugegeben, sehr oft im Leben braucht man neue Spritztüllen ja nicht. Den Rest des Einkaufs erledige ich in Erdgeschossläden oder im Internet. Wer vermisst da schon ein Kaufhaus? Michael Kohlstadt