Essen. Als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel ist Rainer Baake für die Energiepolitik zuständig. Das Besondere: Er ist ein Grüner in einem “roten“ Ministerium. Im Interview erklärt er, warum er die EEG-Reform für gerecht hält, auch wenn sie steigende Strompreise mit sich bringt.
Als Grüner im "roten" Ministerium ist Rainer Baake schon ein Exot. Der Staatssekretär ist für die Energiepolitik zuständig und erklärt im Interview, was er von der EEG-Reform hält.
In einem monatelangen Kraftakt haben Sie mit der EU-Kommission über die Förderung der erneuerbaren Energien verhandelt. Erholungsbedürftig?
Rainer Baake: Die grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die Bundestag und Bundesrat unlängst beschlossen haben, ist der erste Schritt, um die Energiewende auf Kurs zu bringen. Wir haben uns für diese Legislaturperiode noch viele weitere Maßnahmen vorgenommen. Als Langstreckenläufer weiss ich, dass nur ans Ziel kommt, wer seine Kräfte einteilt.
Halten Sie Ihr Verhandlungsergebnis für ausgewogen, was die Belastungen der Verbraucher und der Wirtschaft betrifft?
Baake: Wir haben mit der Reform vier zentrale Ziele erreicht. Es gibt jetzt einen verbindlichen und anspruchsvollen Korridor für den weiteren Ausbau der regenerativen Energien. Wir haben die Kosten für neue Anlagen deutlich gesenkt. Es gibt mit der verbindlichen Marktprämie einen Schritt zu mehr Wettbewerb. Und wir haben die Kosten so verteilt, dass die Arbeitsplätze in der stromintensiven Industrie erhalten bleiben. Ich finde, das ist eine gute Balance.
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Als sozial ungerecht bezeichnet Klaus Müller, der Chef des Verbandes der Verbraucherzentralen, die Reform. Können Sie seine Kritik nachvollziehen?
Baake: Nein. Ich halte es für gerecht, wenn Jobs erhalten bleiben und Menschen weiterhin Einkommen erzielen.
Hunderttausende Privathaushalte können aber ihre Stromkosten nicht mehr aufbringen – auch weil die Umlage, die die Ökoenergie finanziert, in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist.
Baake: Ja, es gibt einkommensschwache Haushalte. Das ist eine Aufgabe für die Sozialpolitik. Wir sorgen mit der EEG-Reform dafür, dass die Umlage stabilisiert wird. Die Summe aus Großhandelspreis und EEG-Umlage wird in dieser Legislaturperiode voraussichtlich nicht mehr steigen.
Sie hätten die Kosten anders verteilen, die Umlage für die Privatleute senken und den stromintensiven Unternehmen einen höheren Beitrag abverlangen können. Früher waren Sie als harter Verhandler gegenüber der Industrie bekannt. Warum haben Sie nun kompromisslos deren Interessen geschützt?
Baake: Ich habe nicht die Interessen der Industrie durchgesetzt. Wir haben verhindert, dass wegen zu hoher Kosten stromintensive Produktion aus Deutschland abwandert und damit Wertschöpfung und Arbeitsplätze verlorengehen. Es geht um’s Gemeinwohl. Was wir hier tun, ist für die Akzeptanz in Deutschland und auch für das internationale Ansehen der Energiewende fundamental wichtig. Die Botschaft, dass die Ökostromförderung Unternehmen vertreibt und Arbeitsplätze vernichtet, wäre sehr schädlich.
Nach einer der Verhandlungen mit der EU-Kommission sagten Sie, Sie wollten unter allen Umständen vermeiden, dass Unternehmen wegen der Stromkosten in Insolvenz gehen. Damit haben Sie sich den übertriebenen Befürchtungen mancher Unternehmen angeschlossen.
Baake: Aus den Antragsverfahren der vergangenen Jahre kennen wir die Energiekosten und die Wertschöpfung der etwa 2000 stromintensiven Unternehmen recht genau. Wir konnten gut abschätzen, was die Vorschläge der Kommission bei Unternehmen angerichtet hätten, die in einem scharfen internationalen Wettbewerb stehen. Wäre es uns nicht gelungen, eine verträgliche Lösung zu erreichen und eine Reihe von Unternehmen in die Insolvenz getrieben worden – die Debatte über die EEG-Reform wäre heute eine ganz andere.
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Beim nächsten Schritt der Reform geht es darum, wie konventionelle Kraftwerke, die wir immer seltener brauchen, als Reserve bereitgehalten und finanziert werden. Die Stadtwerke wünschen sich einen neuen Mechanismus, der ihre alten Kohlekraftwerke subventioniert. Was halten Sie davon?
Baake: Es geht um Versorgungssicherheit und die Frage, wie wir sie aufrecht erhalten. Im kommenden November wollen wir ein Grünbuch veröffentlichen, das die bisherigen Vorschläge und deren mögliche Kosten bewertet. Dann folgt die öffentliche Konsultation. Danach werden wir einen Vorschlag machen.
Manchmal scheint die Sonne kaum, und es herrscht Windstille. Weil dann zu wenig Ökostrom fließt, braucht man Kohle- und Gaskraftwerke als Reserve. Der Verband der Stadtwerke sagt nun, dass das konventionelle Reservesystem bis zu 80 Prozent der nachgefragten Leistung abdecken müsse. Ist das wirklich notwendig?
Baake: Das werden wir mit einem Versorgungssicherheitsbericht ermitteln. Da wir einen europäischen Binnenmarkt haben, wäre eine rein nationale Betrachtung allerdings falsch. Auch die Nachfrageseite muss einbezogen werden.
Trotzdem versuchen die konventionellen Energieversorger, ihre alten Dreckschleudern mit neuen Subventionen künstlich am Markt zu halten.
Baake: Natürlich gibt es auch in dieser Debatte finanzielle Interessen. Die Aufgabe der Politik ist es aber, das Gemeinwohl zu definieren. Das besteht in diesem Fall darin, Versorgungssicherheit zu einem möglichst günstigen Preis zu gewährleisten.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Mit den bisherigen Maßnahmen werden wir aber nur 33 Prozent erreichen. Zusätzliche Anstrengungen sind nötig. Beispielsweise weniger Kohlestrom?
Baake: Kommenden November wird die Regierung in ihrem Fortschrittsbericht zur Energiewende darlegen, ob die bisherigen Instrumente ausreichen. Vor allem beim europäischen Emissionshandel sehe ich Reformbedarf.
Muss man größere Kohlendioxidmengen aus dem System herausnehmen als bisher beschlossen?
Baake: Ja, wir müssen den Emissionshandel reformieren und wieder Knappheit schaffen, damit Klimaschutz sich lohnt.
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Ein weiterer Reformschritt betrifft die Ausschreibungen. Diese sollen künftig sicherstellen, dass nur solche Ökokraftwerke errichtet werden, die kostengünstig produzieren. Wie garantieren Sie, dass kleine Energiegenossenschaften bei den komplizierten Verfahren nicht benachteiligt werden?
Baake: Wir wollen dafür sorgen, dass kleine und große Firmen dieselben Chancen haben. Ich halte das Verfahren nicht für kompliziert. Zu unseren Vorschlägen führen wir gerade eine öffentliche Konsultation durch. Genossenschaften, die in ihren Gemeinden gut verwurzelt sind, können sogar Vorteile gegenüber externen Firmen haben, wenn es zum Beispiel um die Verabschiedung von Bebauungsplänen geht.
Wollen Sie den bisherigen Anteil kleiner, bürgernaher Firmen bei der Energiewende erhalten?
Baake: Die Eigentümervielfalt ist ein besonderes Merkmal der deutschen Energiewende. Das erklärt mit, warum die erneuerbaren Energien bei uns so große Unterstützung in der Bevölkerung genießen. Wir werden unseren Teil dazu beitragen, dass das so bleibt.