München/Frankfurt. Für Unternehmen ist es ein Horror-Szenario: Ein Patzer löst einen Proteststurm im Internet aus, der sich in Windeseile über die Sozialen Medien verbreitet und das Geschäft bedroht. Versicherer haben das mittlerweile erkannt und wollen nun mit Shitstorm-Versicherungen Geld verdienen.

Einen guten Ruf müssen sich Unternehmen oft hart erarbeiten. Doch in Zeiten von Facebook, Twitter & Co kann es damit schnell vorbei sein. Ob Pannen, eine flapsige Äußerung des Chefs oder schlechte Arbeitsbedingungen bei einem Zulieferer in Fernost - Fehltritte, Versäumnisse und Missgeschicke können sich in Windeseile über den gesamten Globus verbreiten und nicht nur schlechte Presse, sondern auch die Abkehr von Kunden und Umsatzausfälle nach sich ziehen. In solchen neuen Risiken der vernetzten Welt wittern große Versicherer ihre Chancen und bieten Absicherungen gegen Imageschäden für Unternehmen.

Branchenstudien zufolge rangieren sogenannte Reputationsrisiken mittlerweile auf der Liste der Gefahren für Unternehmen ziemlich weit vorne. Dabei muss man wissen: Die Versicherer müssen sich selbst zur Decke strecken. Die Durststrecke an den Kapitalmärkten mit historischen Niedrigzinsen zwingt sie nicht nur, sich nach alternativen Anlagemöglichkeiten umzusehen. Sie tüfteln auch verstärkt an neuen Produkten, weil die Renditen unter Druck sind.

Reputationsschäden hängen stark von Zufällen ab

Deshalb müssen neue Ideen her, wie der Chef des weltgrößten Rückversicherers Munich Re, Nikolaus von Bomhard, betont. Wie die Allianz hat die Munich Re Policen gegen Image-Rückschläge und ihre Folgen für Unternehmen entwickelt. Während sich die Kunden des Rückversicherers vor allem gegen Umsatz- und Gewinneinbrüche absichern können, übernimmt die Allianz vorwiegend die Kosten der Krisenkommunikation nach einem Rückschlag in der Reputation und hilft den Kunden, solche Risiken besser zu managen.

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An prominenten Beispielen, wie rufschädigende Ereignisse das Geschäft in Mitleidenschaft ziehen können, mangelt es nicht. Dazu gehören Rückrufaktionen bei Autoherstellern, Schadstoff-Funde in Spielzeug und Lebensmittelskandale. Welche Wucht eine Reputationskrise entfalten kann, bekam die Munich Re vor einigen Jahren am eigenen Leib zu spüren: Ein Sexskandal bei der zum Konzern gehörenden Ergo-Tochter Hamburg-Mannheimer sorgte monatelang für Negativ-Schlagzeilen. Kritisch kann es für Unternehmen werden, wenn es zu einem Shitstorm, also einer Empörungswelle im Internet kommt - und das Thema zusätzlich breit in den Medien aufgegriffen wird.

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Weil Reputationsschäden stark von Zufällen abhängen und kaum in Standardmodelle passen, könne er keine Prognosen für das Geschäft abgeben, sagt Munich-Re-Experte Andreas Gebler. "Wir stehen derzeit in zahlreichen Diskussionen über unsere Versicherungslösung. Das Thema ist für unsere Kunden definitiv eines der Topthemen für die Zukunft." Auch Allianz-Experte Joachim Albers sieht ein wachsendes Interesse der Unternehmen. Die Munich Re hat als Zielgruppe vor allem Konsumgüterhersteller wie die Lebensmittel-, Spielzeug-, Bekleidungs- und Kosmetikindustrie ausgemacht, die ihre Waren in hohem Tempo umschlagen. Sie spüren direkt, wenn die Verbraucher ihnen wegen eines Skandals oder kritischer Kommentare im Netz die Gunst entziehen.

Computersicherheit rückt zunehmend in den Fokus

Neben Absicherungen sollten die Unternehmen auch eigene Strategien zum richtigen Umgang mit solchen Krisen entwickeln, rät der Chef Unternehmensberatung Corporate Trust, Christian Schaaf. Dazu gehöre auch eine genaue Beobachtung sozialer Netzwerke und einschlägiger Plattformen. Im Ernstfall helfe es am besten, Fehler frühzeitig, aktiv und vollständig einzugestehen und auch die ergriffenen Gegenmaßnahmen darzustellen. "Damit nehmen Sie Vielem den Wind aus den Segeln", sagt Schaaf. Jedem müsse allerdings auch klar sein, dass das Internet nichts vergisst.

McCurrywurst und Pril-Huhn - berühmte Shitstorms

"Happy" hieß ein neues Maskottchen, dass McDonald's im Mai 2014 vorstellte. Doch beim Anblick des würfelförmigen Grinsers bekamen die meisten Menschen eher Angst. McDonalds nahm es mit Humor. Auf Twitter postete der Konzern ein Bild, das mehrere "Happy"-Figuren zeigt, die sich um einen Computer aufgestellt haben und sich offenbar die Kommentare der Twitter-User durchlesen. Dabei rätseln die "Happys", ob die Menschen sie nun "gruselig", "albtraumhaft" oder "süß" finden. Der selbstironische Post konnte die Wogen glätten. © Funke Digital
Mit dem Kauf von zehn Tafeln Schokolade konnten Shell-Kunden im Mai 2014 genügend Prämienpunkte sammeln, um sie gegen einen Kindle E-Book-Reader zu tauschen. Doch nachdem das Angebot in diversen Schnäppchenportalen im Internet verbreitet wurde, gingen Shell rasch die E-Book-Reader aus. Für die gesammelten Prämienpunkte bekamen Shell-Kunden auf einmal nur noch eine Flasche Wasser und eine Bockwurst. Die Enttäuschung war riesig, ein Shitstorm brach los - Shell konnte nichts tun, außer die Wut seiner Kunden zu ertragen.
Mit dem Kauf von zehn Tafeln Schokolade konnten Shell-Kunden im Mai 2014 genügend Prämienpunkte sammeln, um sie gegen einen Kindle E-Book-Reader zu tauschen. Doch nachdem das Angebot in diversen Schnäppchenportalen im Internet verbreitet wurde, gingen Shell rasch die E-Book-Reader aus. Für die gesammelten Prämienpunkte bekamen Shell-Kunden auf einmal nur noch eine Flasche Wasser und eine Bockwurst. Die Enttäuschung war riesig, ein Shitstorm brach los - Shell konnte nichts tun, außer die Wut seiner Kunden zu ertragen. © dpa
Im März 2013 wollte McDonald's mit der McCurrywurst deutschen Pommesbuden Konkurrenz machen. Doch bei den Kunden in den Sozialen Netzwerken fiel der typisch deutsche Imbiss durch.
Im März 2013 wollte McDonald's mit der McCurrywurst deutschen Pommesbuden Konkurrenz machen. Doch bei den Kunden in den Sozialen Netzwerken fiel der typisch deutsche Imbiss durch. "Widerliche Abzocke", fluchte ein Twitterer. Nur etwa einen Monat nach ihrer Einführung verschwand die McCurrywurst vom Markt. © Getty Images
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Auch andere Unternehmensrisiken nehmen die Versicherer verstärkt in den Blick: Die Computersicherheit werde in der zunehmend vernetzten Arbeits- und Produktionswelt immer wichtiger, sagt Gebler. Die Hannover Rück hat die Energieeffizienz als Geschäftsfeld entdeckt. Zwar geht der weltweit drittgrößte Rückversicherer nicht unter die Gebäudeisolierer und baut auch keine Solar-Anlagen auf Hausdächer. "Wir versichern vielmehr, dass ergriffene Energiesparmaßnahmen die vom Anbieter versprochene Wirkung erzielen", sagt Hannover-Rück-Finanzchef Roland Vogel. (dpa)