Essen. . Blei im Trinkwasser sollte eigentlich nicht mehr zum Alltag gehören. Seit Dezember 2013 gelten strengere Grenzwerte. Doch laut Stiftung Warentest gibt es nach wie vor Tausende Wohnungen, in denen alte Rohre verbaut sind. Insbesondere für Schwangere und Kleinkinder ist Blei im Wasser gefährlich.

Eigentlich sollte Blei längst aus dem Trinkwasser verbannt sein. Vor allem für Schwangere, Säuglinge und Kleinkinder ist Blei im Trinkwasser gefährlich. Daher gelten seit Dezember neue Grenzwerte, die praktisch einem Verbot von Bleileitungen gleichkommen. Doch nach wie vor gibt es Wohnungen, in denen alte Rohre aus dem weichen Metall verbaut sind.

Wie groß ist die Gefahr?

„Das Thema Blei im Trinkwasser ist noch nicht ganz aus der Welt“, sagt Georg Tuschewitzki vom Hygiene-Institut des Ruhrgebiets in Gelsenkirchen. „Es hat sich schon viel verbessert. Aber es gibt immer noch etwas zu tun.“ Das Institut untersucht einige 1000 Wasserproben pro Jahr auf Blei. „Hin und wieder werden wir fündig“, berichtet Tuschewitzki. Auch die Stiftung Warentest warnt: „Leitungen aus Blei vergiften noch immer in Tausenden Haushalten das Trinkwasser. Das Schwermetall schädigt vor allem Schwangere und Kleinkinder.“

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Wie verbreitet sind Bleirohre?

Blei ist als Material für Trinkwasserrohre Anfang der 1970er Jahren verboten worden. Doch genaue Statistiken zu Bleirohren in Wohnimmobilien sind Mangelware. Auch die Bundesregierung verfügt nicht über entsprechende Daten. „Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über die Anzahl der Haushalte in Deutschland, in denen noch Trinkwasserrohre aus Blei vorhanden sind“, heißt es in einer Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Bärbel Höhn.

Was sagen die Wasserversorger?

Als im Dezember die Veränderung des Grenzwerts für Blei von 25 auf zehn Mikrogramm je Liter (entspricht 0,010 Milligramm pro Liter) anstand, hat der Versorger Gelsenwasser seinen Kunden einen kostenlosen Wasser-Check angeboten. Bei 3,4 Prozent der rund 3000 Proben wurde Blei nachgewiesen. „Eine mögliche Bleibelastung im Essener Trinkwasser ist ausschließlich auf alte Bleirohre in Hausinstallationen zurückzuführen. Diese befinden sich in aller Regel nur noch in unsanierten, über 60 Jahre alten Gebäuden“, erklärt Christin Nottenbohm von den Stadtwerken Essen.

Mietminderung von bis zu zehn Prozent 

Was können Mieter tun?

Das Umweltbundesamt rät Verbrauchern, zunächst selbst nach Bleirohren zu suchen. Blei glänzt silbrig, wenn man es anritzt. Sind Bleirohre im Haus, ist eine Mietminderung von fünf bis zehn Prozent möglich, heißt es beim Mieterbund NRW. „Stellt sich der Vermieter quer, sollten Betroffene das Gesundheitsamt einschalten“, rät die Stiftung Warentest. Der Austausch alter Bleirohre gilt als Instandsetzung, nicht als Modernisierung. Das heißt: Die Kosten dürfen nicht auf die Mieter abgewälzt werden.

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Welche Pflichten haben Vermieter?

Das Umweltbundesamt betont, dass Vermieter seit Dezember dazu verpflichtet sind, Mieter über giftige Leitungen zu informieren und die Reinheit des Wassers sicherzustellen. Das örtliche Gesundheitsamt könne dann die Verantwortlichen dazu verpflichten, die Ursache für Grenzwertüberschreitungen zu beseitigen. „Als Vermieter zu verschweigen, dass es eine Bleileitung gibt, wäre unverantwortlich – und übrigens auch verboten. Denken Sie an die Gesundheitsrisiken durch das verunreinigte Wasser“, betont Norbert Borgmann, Chef der Firma Borgmann-Haustechnik aus Wesel. „Blei in der Trinkwasserleitung – das geht gar nicht. Für einen vernünftigen Vermieter ist das gar keine Frage.“

Warum ist Blei insbesondere für Ungeborene und Kleinkinder gefährlich?

„Oft wächst das Interesse, wenn eine schwangere Frau im Haus wohnt oder wenn kleine Kinder in der Familie versorgt werden“, sagt Georg Tuschewitzki vom Hygiene-Institut in Gelsenkirchen. Das Umweltbundesamt warnt, Blei reichere sich im Körper an und beeinträchtige insbesondere die Entwicklung des Nervensystems. „Kinder nehmen im Vergleich zum Erwachsenen wesentlich mehr Blei aus der Nahrung und dem Trinkwasser auf“, heißt es in einer Broschüre der Behörde.

Selbst Bleikonzentrationen von 0,010 bis 0,025 Milligramm pro Liter im Trinkwasser beeinträchtigen demnach die Blutbildung und die Intelligenzentwicklung vor allem vor der Geburt und während der ersten Lebensjahre. Deshalb seien schwangere Frauen, Ungeborene, Säuglinge und Kleinkinder besonders gefährdet und vor der Aufnahme von Blei zu schützen. „Blei macht dumm“, konstatiert das Umweltbundesamt.

Der Austausch von Bleirohren ist teuer 

Wie haben sich die Grenzwerte verändert?

Der Grenzwert für Blei im Trinkwasser wurde in den vergangenen Jahren mehrfach gesenkt. Im Jahre 1990 auf 0,040 Milligramm pro Liter (mg/l), im Jahr 2003 auf 0,025 mg/l und zuletzt zum 1. Dezember 2013 auf 0,010 mg/l. Das kommt praktisch einem Verbot von Bleirohren gleich. Denn der Grenzwert ist in Trinkwasser, das durch Bleirohre geflossen ist, nun in der Regel nicht mehr einzuhalten. „Auch kleine Teilabschnitte aus Blei sind kritisch, da im Kontakt mit anderen metallenen Materialien durch elektrochemische Reaktionen viel Blei ins Trinkwasser abgegeben werden kann“, warnt das Umweltbundesamt.

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Kann das Handwerk auf Aufträge hoffen?

Der Austausch von Bleirohren ist aufwändig und mitunter kostspielig. Je nach Immobilie können die Kosten für Maurer und Klempner mehrere 1000 Euro erreichen. „Für die gesamte Sanitärwirtschaft erhoffen wir uns in der Tat Aufträge“, sagt Jens Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS). Doch einen „Sanierungsboom oder eine Auftragswelle“ kann Andreas Braun vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima nicht erkennen.

„Wir registrieren auffällig wenige Aktivitäten, obwohl sich der Grenzwert verschärft hat“, stellt Werner Hinzpeter von der Stiftung Warentest fest. Dabei können in Gebäuden noch Teilabschnitte aus Blei bestehen, „die jedoch meist unter Putz liegen und damit mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind“, wie Frank Zopp vom Zentralverband des Deutschen Handwerks zu bedenken gibt.

Wasseranalyse auf Blei für 15 Euro 

Was sagen die Vermieter?

Die Vereinigung Haus & Grund, die die Interessen von Immobilieneigentümern vertritt, geht davon aus, dass die Vermieter inzwischen gehandelt haben. „Der Austausch musste ja bis Ende vergangenen Jahres vorgenommen worden sein“, sagt Alexander Wiech, der Sprecher von Haus & Grund. Schließlich gelte sei Dezember 2013 ein Grenzwert, „der mit Bleirohren schlicht nicht mehr eingehalten werden kann“.

Seiner Einschätzung zufolge gehen die meisten Vermieter mit dem Thema offen um. „Vermieter haben kein Interesse daran, die Gesundheit ihrer Mieter zu gefährden. Zudem müssen sie für die zukünftige Vermietbarkeit ihrer Immobilie sorgen“, betont Wiech. „Der Austausch vorhandener Bleirohre war sicherlich lästig und in manchen Fällen auch teuer – aber auch notwendig.“

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Wer bietet Wasseranalysen an?

Darüber kann in der Regel das zuständige Gesundheitsamt Auskunft geben. Beim Hygiene-Institut in Gelsenkirchen beispielsweise kostet die Analyse einer Probe auf Blei im Wasser zirka 15 Euro – zusätzlich können noch Kosten für die Anfahrt eines Institutsmitarbeiters entstehen. Auch bei den Stadtwerke Essen können Kunden des Versorgers eine Entnahme von Wasserproben beauftragen.

Die analytische Auswertung erfolge im Labor der Firma Westfälische Wasser- und Umweltanalytik und koste rund 30 Euro, berichtet Stadtwerke-Sprecherin Christin Nottenbohm. Aus Datenschutzgründen erhalten die Stadtwerke keine Auskunft über die Ergebnisse, so dass es nicht möglich sei, eine Angabe über die Häufigkeit von Blei-Funden zu machen.