Essen. . Nach gerade einmal fünf Monaten als Karstadt-Chefin zieht sich die frühere Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt frustriert zurück. In einer Erklärung zeigt sich die Schwedin enttäuscht von Firmen-Eigentümer Berggruen. Der Rücktritt lädt zu Spekulationen über die Zukunft von Karstadt ein.

Zu Jahresbeginn versprühte Eva-Lotta Sjöstedt noch Optimismus. Ein neuer Stil zeichnete sich ab. Die frühere Ikea-Managerin präsentierte sich betont bodenständig – ganz anders als ihr Vorgänger Andrew Jennings. Während der britische Manager seine Gäste gerne in seinem schicken Büro in der Essener Konzernzentrale empfing, wollte die Frau aus Schweden lieber in der Sockenabteilung über ihre Strategie sprechen. Oder sie verbrachte einen Tag an der Kasse einer Karstadt-Filiale.

Es waren Zeichen wie diese, mit denen ­Sjöstedt die Herzen vieler Mitarbeiter gewann. „Sie hat in schwierigen Zeiten den richtigen Ton getroffen“, sagt Betriebsratschef Hellmut Patzelt. Doch nach weniger als fünf Monaten an der Spitze verlässt Sjöstedt überraschend das Unternehmen.

Sjöstedt zieht eine ernüchternde Bilanz

In einer schriftlichen Erklärung rechnet Sjöstedt auch mit Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen ab. „Als ich mich im vergangenen Herbst dazu entschied, nach Essen zu gehen, tat ich dies in fester Annahme, ein angeschlagenes, in einer sehr schwierigen Situation befindliches Unternehmen übernehmen und entwickeln zu dürfen“, erklärt Sjöstedt. Diesen Schritt habe sie damals auch deshalb getan, weil ihr der Karstadt-Eigentümer seine volle Unterstützung für ihre Investitionspläne für die 83 Warenhäuser zugesagt habe.

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Die Bilanz, die Sjöstedt zieht, fällt ernüchternd aus: Nach „eingehender Prüfung, den Erfahrungen der letzten Monate und in genauer Kenntnis der wirtschaftlichen Rahmendaten“ müsse sie feststellen, „dass die Voraussetzungen für den von mir angestrebten Weg nicht mehr gegeben sind“. Sie habe deshalb ihr Amt niedergelegt.

Karstadt-Betriebsrat zeigt sich besorgt

Auch Karstadt-Betriebsratschef Patzelt hat Sjöstedts plötzlicher Rückzug überrascht. „Das besorgt mich sehr“, sagt der Betriebsrat. Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen sei in der Pflicht, die Belegschaft „sauber und sehr detailliert darüber zu informieren, was da eigentlich passiert ist“.

Vor zwei Wochen waren bereits Zahlen über die aktuell angespannte wirtschaftliche Lage des traditionsreichen Warenhauskonzerns durchgesickert. Die letzten offiziellen Zahlen sind für das Geschäftsjahr 2011/2012 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden. Der Verlust belief sich auf 158 Millionen Euro. Auch Sjöstedt hatte sich offen zu den Problemen geäußert. „Wir verlieren derzeit Geld“, sagte sie im Januar. „Daher müssen wir unser Geschäft schnell wieder profitabel machen.“ Sjöstedt aber wird diese Aufgabe nicht mehr erledigen können. Die Führung des Konzerns liegt nun zunächst einmal in den Händen von Finanzvorstand Miguel Müllenbach und Arbeitsdirektor Kai-Uwe Weitz.

Karstadt-Aufsichtsratschef Fanderl kündigt Sanierung an

Rasch nach ihrer Benennung zur Karstadt-Chefin hatte es auch skeptische Stimmen gegeben. „Eine Schwedin, die in Holland Managerin für ein Möbelhaus war, soll nun in Deutschland das Warenhausgeschäft entwickeln. Wie soll das funktionieren?“, fragte beispielsweise der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

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Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl spricht nun von „sehr schwierigen Zeiten“ für das Unternehmen. Ziel sei es, „mit dem erfahrenen Management die Sanierung von Karstadt entschlossen und unverzüglich anzugehen“. Mit anderen Worten: Selbst in der Unternehmensführung wird Karstadt als Sanierungsfall deklariert.

Es geht einmal mehr auch um die Zukunft der deutschen Innenstädte. Bundesweit zählt die Warenhauskette 83 Filialen, die häufig das Stadtbild prägen. Häufig wurde in der Vergangenheit über eine Fusion von Kaufhof und Karstadt spekuliert.

Was sind die Pläne der Signa-Gruppe von René Benko?

Eine wichtige Rolle im Karstadt-Reich spielt auch die österreichische Signa-Gruppe des Immobilieninvestors René Benko. Im September vergangenen Jahres hatte Berggruen die Mehrheit an den 28 Karstadt-Sporthäusern sowie an den Luxuskaufhäusern KaDeWe (Berlin), Alsterhaus (Hamburg) und Oberpollinger (München) an Signa abgegeben.

Die Österreicher, die schon zahlreiche Einkaufszentren in Innenstädten entwickelt haben, sind auch der wichtigste Vermieter von Karstadt. Außerdem soll sich Signa die Option gesichert haben, Berggruen für den symbolischen Betrag von einem Euro knapp mehr als 75 Prozent der Anteile an den 83 Karstadt-Warenhäusern abkaufen zu können. Das lädt zu Spekulationen über die Zukunft von Karstadt ein.

Die Aufbruchstimmung, die Sjöstedt verbreitet hat, ist indes ziemlich schnell wieder verflogen. „Das bringt eine extrem tiefe Enttäuschung“, sagt Betriebsratschef Patzelt. Gut möglich, dass den Beschäftigten im Zuge der Sanierung weitere Einschnitte bevorstehen. Die Zeiten, in denen sich die Chefin in der Sockenabteilung oder an der Kasse gezeigt hat, dürften jedenfalls vorbei sein.