Berlin. Die deutsche Wirtschaft sorgt sich zunehmend um ihre Geschäfte in Russland und in der Ukraine. Jedes fünfte Unternehmen hat bereits Investitionen auf Eis gelegt. Anstelle von Sanktionen wird eine politische Lösung gefordert. Und es gibt Lob für die Bundesregierung.
Die deutsche Wirtschaft fürchtet bei einer Ausweitung des Ukraine-Konflikts den Verlust von bis zu 25 000 Arbeitsplätzen in Deutschland. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres brachen die deutschen Ausfuhren nach Russland und in die Ukraine zum Teil dramatisch ein. Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, forderte am Freitag deshalb mit Nachdruck eine "politische Lösung" für den Konflikt. Allein schon die Debatte über Handelssanktionen gegen Russland sei für die Wirtschaft "absolutes Gift".
In einer Umfrage unter etwa hundert deutschen Unternehmen, die in Osteuropa aktiv sind, sprachen sich 44 Prozent strikt gegen härtere internationale Sanktionen aus. Hier müsse es eine klare Trennung von Wirtschaft und Politik gegen. 47 Prozent wären als "allerletztes Mittel" einverstanden. Nur 9 Prozent finden, dass wirtschaftliche Strafmaßnahmen gegen Moskau wegen der Annexion der Halbinsel Krim jetzt schon erforderlich wären.
Auch Handel mit Polen und Tschechien betroffen
Nach Angaben des Ost-Ausschusses gingen die deutschen Ausfuhren in die Ukraine binnen Jahresfrist um 31 Prozent zurück. Dies entspricht einem Geldwert von etwa 500 Millionen Euro. Die Exporte nach Russland sanken um 14 Prozent. Wegen des größeren Umfangs des Handels mit Russland bedeutet dies allerdings ein Minus von 1,7 Milliarden Euro. Jedes fünfte Unternehmen hat wegen der Krise bereits Investitionen in Russland auf Eis gelegt.
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Cordes wertete dies als alarmierendes Zeichen. "Wenn die vier Monate sich so weiter entwickeln im gesamten Jahr, heißt das Gefahr für 25 000 Arbeitsplätze in Deutschland", sagte der Ausschussvorsitzende. Deshalb müsse alles dafür getan werden, um die Lage in der Region zu stabilisieren. Zugleich warnte er vor negativen Folgen für den Handel mit mitteleuropäischen Staaten wie Polen oder Tschechien.
"Leichte Schritte der Deeskalation"
"Wir haben noch gar keine Sanktionen", sagte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Handelskonzerns Metro. "Aber die Sanktionen wabern durch den Raum und führen zu einer deutlichen Schwächung der wirtschaftlichen Entwicklung."
Cordes lobte die Bundesregierung für ihre Bemühungen um eine Vermittlung zwischen Kiew und Moskau. Aus seiner Sicht gibt es im Osten der Ukraine "leichte Schritte der Deeskalation, so dass kein Szenario denkbar ist, was Sanktionen rechtfertigen würde".
Auf einer Mitgliederversammlung des Ost-Ausschusses wurde Cordes am Donnerstagabend als Vorsitzender wiedergewählt. Den Ausschuss gibt es bereits seit 1952. Getragen wird er von fünf großen Verbänden und etwa 200 Unternehmen. An der Umfrage beteiligten sich insgesamt 105 Unternehmen, die gemeinsam einen Umsatz von 20 Milliarden Euro in Russland und 3,2 Milliarden Euro in der Ukraine erreichen. Zusammen haben sie in beiden Ländern etwa 70 000 Beschäftigte. (dpa)