Berlin. . Gleich mehrere Tarifkonflikte stehen bei der Deutschen Bahn im Sommer an. Dabei will die Lokführer-Gewerkschaft GDL mehr Einfluss gewinnen. Sie fordert fünf Prozent mehr Lohn, eine Arbeitszeitverkürzung auf 37 Stunden, familienfreundlichere Zeiten sowie einen Zuschlag für verlängerte Schichten.

Der Deutschen Bahn steht eine komplizierte Tarifrunde ins Haus. Zunächst läuft der Tarifvertrag mit der Lokführergewerkschaft GDL am Ende dieses Monats aus. Am 31. Juli endet die Vereinbarung mit der weitaus größeren Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG. Beide Organisationen konkurrieren um Mitglieder unter den rund 240.000 Beschäftigten des Konzerns. Zudem endet eine Grundlagenvereinbarung der Tarifpartner. Diese legte bisher fest, dass die GDL nur für die Lokführer zuständig ist, die EVG für die anderen Berufsgruppen.

Erstmals will die GDL nun ihr Einflussgebiet auf das gesamte Zugpersonal ausweiten, also auch die Löhne und Gehälter von Zugbegleitern, Mitarbeitern der Bistros, Disponenten und Trainer aushandeln. Umgekehrt wird die EVG nun auch für die Lokführer zuständig sein. Damit könnte es gleich mehrere Konfliktherde geben.

Da ist zunächst die Forderung der GDL für die 20.000 Lokführer und weitere rund 15.000 Beschäftigten rund um die Züge. Die Gewerkschaft fordert fünf Prozent mehr Lohn und eine Arbeitszeitverkürzung um zwei auf 37 Stunden in der Woche. Zudem verlangt die GDL eine Absenkung der maximalen Fahrzeit, eine Begrenzung der Überstunden auf 50 im Jahr, familienfreundlichere Arbeitszeiten sowie einen kräftigen Zuschlag für verlängerte Schichten.

Gewerkschaften verhandeln seit Jahren getrennt

Bei der EVG lösen die Forderungen Kopfschütteln aus. Die große Gewerkschaft hat noch keine eigenen Ziele für die Tarifverhandlungen veröffentlicht. Die Erfahrungen der letzten Jahre legen allerdings nahe, dass die EVG mit einem bescheideneren Katalog in die Gespräche ziehen wird. Die Bahn äußert sich nicht zu den bislang noch inoffiziellen Wünschen der GDL, die nach Berechnungen des Konzerns auf ein Plus von 15 Prozent hinauslaufen würde.

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Beide Gewerkschaften verhandeln seit einigen Jahren getrennt mit den Arbeitgebern. Zwischen den Organisationen herrscht immer noch Funkstille. „Es gibt keine Gespräche miteinander“, bestätigt ein EVG-Sprecher. Da die GDL mit ihrer Streikmacht in der Vergangenheit immer wieder großen Druck auf die Bahn ausgeübt hat, sind auch in diesem Sommer Streiks im Zugverkehr nicht auszuschließen. Ähnlich wie bei den Piloten oder Krankenhausärzten ist die Kampfkraft der Spartengewerkschaft viel höher als die der Massenorganisation.

Nur ein Tarifvertrag pro Betrieb

Am Ende könnte ein Tarifchaos mit zwei Entgelttarifverträgen für die Lokführer und das restliche Zugpersonal stehen. Das wäre allein schon ein organisatorisches Problem, denn der Arbeitgeber darf eigentlich nicht wissen, wer von seinen Leuten welcher Gewerkschaft angehört und wie viele Mitglieder GDL oder EVG tatsächlich haben. Die Arbeitgeber streben daher schon länger eine wie auch immer geartete Tarifgemeinschaft der Gewerkschaften an.

Bald könnte die Lage noch komplizierter werden. Denn das Bundeskabinett will Anfang Juli ein Gesetz verabschieden, mit dem die Tarifeinheit in den Betrieben festgeschrieben werden soll. Es soll dann nur noch einen Vertrag pro Betrieb geben, ausgehandelt von der jeweils größten Arbeitnehmervertretung. Ob das überhaupt möglich ist, bezweifeln mittlerweile nicht nur die vom Machtverlust bedrohten Kleingewerkschaften. Auch der DGB hat seine bisherige Zustimmung zur Tarifeinheit aufgegeben. Neben der verfassungsmäßig festgeschriebenen Tarifautonomie stehen einer Umsetzung des politischen Ziels auch praktische Fragen im Wege.