Düsseldorf/Essen. Die Niederlande wollen an ihren Grenzen nach Schiefergas bohren lassen und heizen damit die Debatte um die Fördermethode Fracking in Nordrhein-Westfalen wieder an. Die Staatskanzlei in Düsseldorf fordert vom Nachbarland umgehend offiziell Informationen. Auch in NRW werden große Mengen unkonventionellen Gases im Erdreich vermutet.

NRW wird das Thema „Fracking“ einfach nicht los. Obwohl die rot-grüne Landesregierung bereits 2011 allen interessierten Energiekonzernen per Erlass bis auf Weiteres jede Maßnahme zum Aufsuchen und Erschließen von Schiefergas untersagte, hat sich die politische Debatte kaum beruhigen lassen.

Neuester Anlass zur Besorgnis sind Pläne der niederländischen Regierung, mit einer „Strukturvision Schiefergas“ bis Anfang 2015 die Fracking-Förderung aus tiefen Gesteinsschichten unter Chemikalien-Einsatz zumindest einmal genauer untersuchen zu lassen. Die niederländischen Behörden haben die Öffentlichkeitsbeteiligung für eine Umweltprüfung gestartet. Was wäre das NRW-Moratorium noch wert, wenn jenseits der Grenze von Münsterland und Niederrhein die Fracking-Bohrtürme aufgebaut würden?

Staatskanzlei fordert umgehend Informationen

„Die Niederlande müssen ihre Fracking-Pläne unverzüglich offenlegen. Sie müssen Politik und Bevölkerung auf beiden Seiten der Grenze informieren und einbeziehen“, forderte SPD-Fraktionsvize Rainer Schmeltzer am Freitag.

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Die Umweltorganisation BUND fürchtet Verunreinigungen des Grundwassers: „Die Probleme machen nicht vor der Grenze Halt.“ Die Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat das niederländische Wirtschaftsministerium umgehend offiziell um Informationen „zum Stand des Beteiligungsverfahrens zur Umweltprüfung“ gebeten.

Noch ist zwar nicht ausgemacht, dass die Niederlande in ihren Provinzen Limburg, Nord-Brabant und Gelderland tatsächlich mit der umstrittenen Fracking-Methode Schiefergas fördern wollen. Anfang 2015 soll zunächst entschieden werden, ob man Probebohrungen in Gesteinsschichten von 1000 Meter Tiefe zulässt.

Insgesamt wirkt das Nachbarland der Technologie jedoch weitaus aufgeschlossener gegenüber zu stehen. „Die niederländische Regierung strebt für die Energieversorgung des Landes einen optimalen Mix von Energieträgern an. Dabei bezieht sie auch Schiefergas in ihre Überlegungen ein“, heißt es in einer behördlichen Bekanntmachen zur Bürgerbeteiligung ohne Umschweife.

Unternehmen haben weitere Claims beantragt

In NRW dagegen trägt die Fracking-Debatte zuweilen hysterische Züge, seit 2010 bekannt wurde, dass Gas- und Ölkonzerne bereits ihre Claims abgesteckt haben. Betroffen sind dabei vor allem das nördliche NRW mit dem Münsterland und Weserbergland sowie dem Niederrhein.

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© WNM

Auch unter dem Bergischen Land und dem Sauerlandes werden gasführende Schichten vermutet. Am Kern-Ruhrgebiet ging bislang das Interesse vorbei. Weil hier die gasführenden Steinkohleschichten fast vollständig abgebaut sind, kommt das ehemalige Kohlerevier für Fracking kaum in Betracht.

22 solcher Claims haben sich Unternehmen abgesteckt. Acht weitere sind beantragt. Doch eine Erlaubnis zum Fracken bedeutet diese - zeitlich begrenzte - Zuweisung noch lange nicht. Im Gegenteil. „Zulassungsfähig sind Antragsteller nur, wenn sie schriftlich erklären, dass sie jetzt und auch später nicht fracken wollen“, sagt Christoph Söbbeler, Sprecher der für die NRW-Bergaufsicht zuständigen Bezirksregierung Arnsberg. Fracking sei damit de facto verboten.

Nur einmal hat die Bezirksregierung die Genehmigung zu einer Erkundungsbohrung erteilt. Vor sechs Jahren wollte der US-Ölkonzerns Exxon Mobile im Kreis Minden-Lübbeke Probebohrungen durchführen und nach unkonventionellen Gasvorkommen suchen. Die Ausbeute soll nicht sehr erfolgreich gewesen sein. Ein weitere Probebohrung wurde abgeblasen.

Genehmigung des Verfahrens ist fraglich

Auch andere internationale Konzerne haben ein Auge auf das NRW-Gas geworfen. Bei Lippstadt und Paderborn ist es der kalifornische Ölförderer BNK Petroleum, im Raum Kleve die britische Firma Dart Energy.

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Doch es gibt auch deutsche Interessenten. Rund um Hamm und Dortmund sitzen mittelbar sogar kommunale Energieversorger mit im Boot. Mingas Power etwa hat sich ein kleineres Feld nördlich von Dortmund gesichert. Hinter dem Unternehmen steckt neben dem RWE Konzern auch der Essener Kraftwerksbetreiber Steag, der zur Hälfte einem Stadtwerkekonsortium aus dem Ruhrgebiet gehört.

Drei kleinere Claims bei Hamm hat die Hamm Gas GmbH für sich reklamiert, an der die Stadtwerke Hamm beteiligt sind. Doch die beteiligten Stadtwerke weisen es weit von sich, dies als Option zum Fracken zu verstehen. Vielmehr, so heißt es, wolle man die Hand auf den Gebieten haben, gerade um Fracking dort zu verhindern.

Ohnehin ist fraglich, ob das Verfahren eines Tages erlaubt wird. Neben SPD und Grünen hat sich auch die NRW-CDU klar gegen Fracking positioniert, schon weil sie die Ängste ihrer ländlichen Klientel vor einer Trinkwasser-Verseuchung kennt. Als der Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete Oliver Wittke (CDU) Ende März laut über eine wissenschaftliche Pilotanlage für Schiefergas nachdachte, wurde er sogleich von der eigenen Parteiführung zurückgepfiffen.