Essen. . NRW-Ministerpräsidentin Kraft hat jüngst bekräftigt, dass die Landesregierung gegen Fracking ist. Doch die umstrittene Technik zur Erdgasförderung ist nicht vom Tisch. Das Land plant derzeit einen “Dialog-Prozess“ zur Förderung der Gasvorkommen. Und: manche Firmen wollen ohne Fracking auskommen.
Die "Claims" sind seit Jahren abgesteckt. 22 Gebiete haben sich Unternehmen in NRW bis dato gesichert, auf denen sie hoffen, auf Erdgasvorkommen zu stoßen, die irgendwann mal ausgebeutet werden können. Doch derzeit liegen alle Projekte auf Eis. Auch die Erkundung vor Ort ist untersagt. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat jüngst bekräftigt, dass die Landesregierung die umstrittene Fördermethode Fracking ablehnt. Doch vom Tisch ist das Thema Fracking in NRW damit noch lange nicht.
"Wir wollen die offenen Fragen klären und Wissensdefizite beseitigen", sagt ein Sprecher des NRW-Umweltministeriums. Denn es handelt sich um ein weitgehend unerkundetes Gebiet. In Dokumenten ist deshalb auch von "unkonventionellen Erdgas-Lagerstätten" die Rede.
Ein vom Land NRW in Auftrag gegebenes Gutachten hatte im September 2012 die Bedenken gegen die Fördermethode Fracking bestätigt und einen "Dialogprozess" angeregt. Der ist - gut eineinhalb Jahre danach - nun konzipiert, heißt es in den beteiligten NRW-Ministerien für Umwelt und Wirtschaft. Er soll durch eine "breite gesellschaftliche Debatte", die von Experten begleitet wird, klären, inwieweit Fracking in NRW tatsächlich künftig keine Chance haben soll.
Flözgas und Schiefergas - zwei unterschiedliche Erdgasquellen
Dabei verweisen Gasförder-Unternehmen darauf, dass nicht in allen Fällen später mal tatsächlich "gefrackt" werden müsste - "wenn wir tatsächlich nennenswerte Gasvorkommen finden sollten", wie eine Sprecherin des Hammer Unternehmens HammGas erklärt. HammGas etwa forsche in seinen sechs Erkundungsregionen in und um den Großraum Hamm nach Flözgas aus ehemaligen Steinkohleabbaustätten. Auch die Essener Steag sei mit ihren Unternehmen Mingas-Power und Minegas auf ihren Feldern wie Hohemark-Gas und Marl-Gas auf der Suche nach solchem "Coal Bed Methan".
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"Nach derzeitiger Auffassung ließe sich Flözgas gegebenenfalls auch ohne weitere Stimulationsmethoden wie etwa Fracking erschließen", meint Prof. Axel Preusse, Direktor des Instituts für Markscheidewesen, Bergschadenkunde und Geophysik im Bergbau der RWTH Aachen. Die Ausbeutung von Schiefergas hingegen "kann nach derzeitiger Auffassung nur unter Anwendung von Stimulationsmethoden erschlossen werden", sagt Preusse. Beim Fracking wird dazu ein giftiger Chemie-Cocktail in tiefe Gesteinsschichten gepresst, ums sie aufzuspalten und das dort gespeicherte Gas freizusetzen. Auch die mit Claims vertretenen Unternehmen geben zu, dass man das Fracking-Risiko im Zusammenhang mit der speziellen Geologie in NRW noch nicht einschätzen kann. Man verweist jedoch auf Niedersachsen, wo Fracking seit mehr als 30 Jahren praktiziert würde - "ohne Umweltprobleme zu verursachen". Allerdings handele es sich dort um andere Gesteinsschichten als in NRW.
Und wie sieht es mit 'Probebohrungen' aus?
Unternehmen sehen Probebohrungen nicht als "Vorbereitung von Fracking"
Das Kasseler Unternehmen Wintershall konzentriert sich in NRW auf die Suche nach Schiefergas. Für mögliche konkrete Gesteinserkundungen hat man den Kreis Mettmann im Blick, weil dort die Schieferschicht nur in etwa 200 bis 300 Metern Tiefe liegt und damit für Gesteinsproben am günstigen zugänglich sei. "Eine spätere Förderung im Testbereich ist aber unwahrscheinlicht", sagt Sprecher Stefan Leunig. Richtung Norden würde sich die Schieferschicht auf 1000 Meter und weiter vertiefen und möglicherweise mehr Gas beinhalten. Das Konzessionsgebiet von Wintershall umfasst den Niederrhein (Feld "Rheinland") und reicht von der belgischen Grenze, dem südlichen Rand des Ruhrgebiets folgend durch den Hochsauerlandkreis bis in den Märkischen Kreis (Feld "Ruhr").
"Wir sind noch längst nicht so weit, Kernbohrungen zur Gesteinsuntersuchung zu beantragen", sagt Wintershall-Sprecher Leunig. Diese seien nötig, "um zu verstehen, ob tatsächlich Schiefergas vorhanden ist". Aber den Unternehmen sind dabei bis dato die Hände gebunden. Konkret forschen dürften sie nur, wenn Sie dem Land NRW - bzw. der zuständigen Bergbaubehörde bei der Bezirksregierung Arnsberg - zusichern, dass sich Fracking in Gegenwart und Zukunft grundsätzlich ausschließen. Darauf hat sich laut Bezirksregierung bis dato kein Unternehmen eingelassen.
Wieviel Erdgas steckt überhaupt im NRW-Boden?
Ob Flöz- oder Schiefergas: Inwieweit es in NRW tatsächlich lohnenswerte Gasvorkommen gibt, ist nach Auskunft der Gas-Unternehmen weitgehend unklar. Deshalb würden Unternehmen wie Wintershall oder ExxonMobil gerne Gesteinsproben entnehmen. Doch auch da hat das Land einen Riegel vorgeschoben: "Wenn wir Fracking nicht zulassen, warum sollten wir dann vorbereitende Erkundungen zulassen?" sagt ein Sprecher des NRW-Umweltministeriums. Das gelte für alle der Claims, einen Unterschied zwischen den Gesteinsquellen mache man nicht.
So funktioniert Fracking
Der Name Fracking leitet sich vom englischen Wort „to fracture“ (=aufbrechen) ab. Bei diesem Verfahren wird Schiefergas aus Gesteinsporen in 1000 und mehr Metern Tiefe gelöst. Dazu wird unter hohem Druck ein Mix aus Wasser, Chemikalien und Sand in den Boden gepumpt, wo er das Gestein aufbricht. Das Gas kann dann entweichen.
Kritiker bescheinigen Fracking eine verheerende Ökobilanz. Sie fürchten vor allem fatale Folgen für das Grundwasser. Der Rohstoff-Industrie zufolge ist das Verfahren sicher. In den USA wird Fracking seit zehn Jahren intensiv eingesetzt.
Im NRW-Wirtschaftsministerium will man unterdessen nicht ausschließen, dass die Erkundung der möglichen Gasvorkommen in nächster Zeit vielleicht doch einen Schritt weiterkommt. "Die Landesregierung hält es nach wie vor für erforderlich, die in diversen Gutachten aufgezeigten Wissensdefizite zur unkonventionellen Erdgasförderung zu beseitigen, um weitere Entscheidungen auf eine belastbare Grundlage zu stellen", lässt NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) erklären. Deshalb habe man in den Ministerium eben diesen "Dialogprozess" konzipiert.
Ministerium erklärt, Debatte zum Fracking soll "ergebnisoffen" sein
Im Ministerium tut man sich sehr schwer, den "Dialogprozess" greifbar zu machen: "Einzelne fachliche Aspekte, aber auch vergaberechtliche und haushalterische Fragen befinden sich derzeit in der Abstimmung innerhalb der Landesregierung. Der Dialogprozess kann nur schrittweise erfolgen und soll ergebnisoffen und transparent gestaltet werden", heißt es in einer schriftlichen Antwort. Eine Sprecherin ergänzt auf Nachfrage aber eine womöglich wichtige Tendenz: "Der Dialog soll nicht von vorneherein darauf ausgerichtet sein, wie Fracking möglich ist."
Bohrtechnik "Fracking"
Vorhandende Aufsuchungserlaubnisse würden deshalb jedoch wohl erstmal verlängert. Viel anfangen könnten die Unternehmen damit ohnehin nicht: Die Claims "stellen lediglich eine Art Konkurrentenschutz dar (...)". In der Bezirksregierung Arnsberg heißt es dazu: "Man darf dort derzeit höchstens spazieren gehen und Steine vom Boden aufsammeln".