Berlin. Nachkommen von Migranten haben in Deutschland deutlich schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der OECD. Demnach sind besonders Hochschulabsolventen von Arbeitslosigkeit betroffen - bessere Chancen haben niedrig Qualifizierte.
Auch bei gleichem Bildungsstand haben junge Erwachsene mit Migrationshintergrund geringere Beschäftigungschancen als diejenigen ohne im Ausland geborene Eltern. Dieser Abstand ist bei Hochschulabsolventen besonders stark ausgeprägt, stellt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei Vorstellung ihrer Studie in Paris fest. So haben in Deutschland 90 Prozent der 20 bis 29-jährigen hoch qualifizierten Männer ohne Migrationshintergrund einen Arbeitsplatz. Bei den Nachkommen von Migranten sind es dagegen nur 81 Prozent.
Bildungserfolge nicht ausreichend honoriert
Dies überrasche, da beide Gruppen ihre Bildungsabschlüsse in der Regel im Inland erworben hätten, stellt OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig fest. "Eine Erklärung könnte sein, dass in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt die Erwartung vorherrscht, dass Migranten und deren Nachkommen eher gering qualifiziert sind. Bildungserfolge von Migranten und deren Nachkommen werden noch nicht ausreichend honoriert", sagt Liebig.
Vergleichsweise gut in den Arbeitsmarkt integriert sind dagegen dem Bericht zufolge die niedrig qualifizierten Nachkommen. Hier gibt es kaum Unterschiede zwischen jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. 56 Prozent der 20- bis 29-Jährigen ohne im Ausland geborene Eltern haben einen Job und 54 Prozent der Nachkommen von Migranten ebenfalls. Unter den 20 bis 29-Jährigen mit im Ausland geborenen Eltern ist der Anteil der Geringqualifizierten ohne Abitur oder abgeschlossene Berufsausbildung doppelt so hoch.
Das korrespondiert mit den Ergebnissen der PISA-Studien, die Jugendlichen mit Migrationshintergrund große Defizite in den schulischen Leistungen bescheinigt. Ein Teil des Rückstands könne dann in Deutschland aber in der beruflichen Ausbildung aufgefangen werden. Ähnlich sieht laut Studie das Bild in Österreich aus. In der Schweiz gelingt die Integration der sogenannten zweiten Generation in den Arbeitsmarkt dagegen vergleichsweise gut.
Die meisten arbeiten im Handel oder Gewerbe
Die Nachkommen von Migranten finden der Studie zufolge häufig Arbeit im Handel oder im verarbeitenden Gewerbe. In diesen beiden Branchen seien sie überrepräsentiert. Das Gegenteil ist in der öffentlichen Verwaltung der Fall. In diesem Bereich sind nur drei Prozent der 20- bis 29-Jährigen mit Migrationshintergrund beschäftigt. Bei den jungen Erwachsenen ohne Migrationshintergrund liegt der Anteil in Deutschland bei zehn Prozent. Ähnlich große Unterschiede gibt es in keinem der untersuchten 16 Länder.
Cem Özdemir, Vorsitzender der Grünen, forderte angesichts der Ergebnisse eine grundlegende Modernisierung des deutschen Bildungssystems. Gerade Kinder aus Zuwandererfamilien bräuchten endlich bessere Bildungschancen. Dazu sei ein längeres gemeinsames Lernen nötig, eine bessere und frühere Kleinkindbetreuung und eine individuelle Förderung in der Schule. Özdemir kritisierte auch den geringen Anteil an Migranten in deutschen Behörden. "Die öffentliche Verwaltung darf keine Parallelgesellschaft sein", mahnte er. Auch dort müsse sichtbar werden, "dass wir in einem modernen Einwanderungsland leben". (afp/ddp/ap)