Münster. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) hat vor Gericht erneut eine Niederlage eingesteckt: Das Land NRW muss die "Sicherheitsbefragungen" bei Ausländern vorerst stoppen. Das hat das Verwaltungsgericht Münster am Donnerstag auf die Klage eines marokkanischen Studenten der Uni Münster geurteilt.
Das Land NRW muss seine Vorschriften zur "Sicherheitsbefragung" von Ausländern, die hierzulande eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, überarbeiten und darf die bisherigen Fragebögen vorerst nicht mehr verwenden. Das sind die Konsequenzen nach einem Urteil der VIII. Kammer des Verwaltungsgerichts Münster vom Donnerstag. Ein marokkanischer Student der Uni Münster hatte dort geklagt, weil er sich durch den Fragebogen, den das NRW-Innenministerium seit Juli 2007 vorschreibt, als Terrorist vorverurteilt und diskriminiert sieht.
Behörden müssen bisherige Befragungen vernichten
Im Detail bemängelte das Gericht Fehler bei der Rechtsbelehrung zu dem Fragebogen. "Dem Kläger wurde nicht erklärt, warum er diesen Fragebogen ausfüllen soll", sagte Gerichtssprecher Michael Labrenz. Da davon auszugehen sei, dass dieser Fehler alle bisheringen Sicherheitsbefragungen betrifft, seien sämtliche Unterlagen nicht mehr zu verwenden; die Behörden, erklärte Labrenz, seien nach dem Urteil in Münster nun gehalten, die Bögen zu vernichten - "soweit das die Betroffenen beantragen". Im Falle des klagenden Studenten sei das Ausländeramt der Stadt Münster nun angewiesen worden, dies zu tun.
Im NRW-Innenministerium sah man sich am Donnerstag in einer ersten Stellungnahme nicht generell am 'Gesinnungstest' gehindert: "Das Gericht hat die Sicherheitsüberprüfung von Ausländern aus bestimmten Staaten in NRW nicht in Frage gestellt", erklärte eine Sprecherin. "Wir werden das Urteil auswerten und auf mögliche Konsequenzen prüfen. Dazu werden wir auch das Gespräch mit dem Bund suchen". Die Richter in Münster hätten letztlich nur "einen formellen Fehler" angekreidet - eben eine fehlerhafte Rechtsbelehrung.
Weitergabe der Daten an Verfassungsschutz ist rechtens
In einem Punkt hatte das Gericht einen Teil der Klage des Studenten sogar abgewiesen, was man im Innenministerium ebenfalls als Bestätigung interpretiert: "Sowohl die Übermittlung der Daten an die Sicherheitsbehörden als auch die Sicherheitsbefragung ist zulässig", sagte die Sprecherin.
Im Juli 2007 hatte NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) einen Erlass verkündet, der die Sicherheitsbefragung bei Ausländern vorschreibt, sofern sie aus Ländern wie Irak, Iran, Afghanistan, Pakistan oder Nord-Korea stammen und in NRW eine Aufenthaltsgenehmigung haben wollen. Hintergrund waren die versuchten Bombenanschlägen auf zwei Regional-Expresszüge in NRW im Jahr davor.
Institutionen wie der DGB, das Landes-Asten-Treffen, der Asta der Uni Münster und der Flüchtlingsrat NRW ziehen seitdem gegen diesen "Gesinnungstest" zu Felde. Sie sehen Ausländer durch die Befragung "unter Generalverdacht" gestellt. Abgefragt werden in dem Fragebogen unter anderem Angaben zu Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen, Reisezielen, politischer Verfolgung, Wehrdienst und "Spezialausbildung" im Zusammenhang mit Sprengstoff, Chemikalien oder Nahkampftechniken.
Uni hat Geheim-Fragen veröffentlicht
Nach Angaben des Innenministeriums seien im Jahr 2008 landesweit 13.374 Sicherheitsbefragungen gezählt worden. Bundesweit seien es im vergangenen Jahr 30.114 gewesen. Wie das Bundesinnenministerium auf eine Bundestagsanfrage erklärte, stünden die Sicherheitsbefragungen "in alleinige Verantwortung der Bundesländer". Ob das Urteil in Münster auch Auswirkungen auf andere Bundesländer hat, war am Donnerstag jedoch nicht klar.
Offen ist auch, inwieweit der Fragebogen beibehalten werden kann, nachdem die Studierendenzeitschrift "Semesterspiegel" der Uni Münster die Fragen jüngst veröffentlich hat. "Wir prüfen rechtliche Schritte", hieß es am Donnerstag im Innenministerium knapp und mit hörbarer Verärgerung. Die Fragen waren von den Behörden bis dato als "geheime Verschlusssache" behandelt worden.
Als Terrorist vorverurteilt
Zur Klage war es gekommen,als der marokkanischer Student Mourad Q. der Uni Münster im März vergangenen Jahres erstmals den Fragebogen vorgelegt bekam, als der heute 32-Jährige, der seit zehn Jahren in Deutschland lebt, im Ausländeramt der Stadt Münster seine Aufenthaltserlaubnis verlängern lassen wollte. Er sah sich durch die Befragung als Terrorist vorverurteilt und als kriminell diskriminiert. In der Folge hatte auch die Universität Münster den Studenten unterstützt, den Fragebogen als "mehr als fragwürdig" kritisiert.
Der Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) hat am Donnerstag das Urteil begrüßt. "Dies ist ein großer Erfolg fuer die Gleichstellung von Migratinnen und Migranten in Deutschland", sagte Johannes Glembek, BAS-Geschäftsführer. Er mahnte, "die Tests dürfen jetzt nicht durch die Hintertür unter einem neuen Namen wieder eingeführt werden". Im Innenministerium wollte man sich zum weiteren Vorgehen nicht näher äußern. Eine Sprecherin erklärte, Konsequenzen würden nun "geprüft".