Berlin. Die Krim-Krise hat Europas Abhängigkeit von russischem Gas vor Augen geführt. Deutschland ist besonders betroffen. Kanzlerin Merkel kündigte am Donnerstag einen Kurswechsel in der Energiepolitik an. Vizekanzler Gabriel sieht allerdings keine Alternativen zu russischem Gas.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat wegen des Konflikts mit Moskau um die Krim eine Reduzierung der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen gefordert. "Es wird eine neue Betrachtung der gesamten Energiepolitik geben", sagte sie am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem kanadischen Premierminister Stephen Harper in Berlin. Die Europäische Union sei in hohem Maße von russischem Öl und Gas abhängig. Die Abhängigkeit Deutschlands sei dabei "längst nicht die höchste".

Kanada deutete, dass es Europa künftig mit Gas und Öl versorgen könnte. "Unabhängig vom Russland-Ukraine-Konflikt wollen wir natürlich unsere Energieexporte diversifizieren", sagte der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper bei dem Treffen mit Merkel. "Wir haben enorme Energieressourcen in unserem Land. Im Moment verkaufen wir nur auf dem nordamerikanischen Markt." Am Tag zuvor hatte bereits US-Präsident Barack Obama betont, dass die USA beginnen könnten, Europa mit Flüssiggas (LNG) zu versorgen, um die Energieabhängigkeit vieler EU-Staaten von Russland zu verringern.

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Was fehlt, sind Terminals für Gas-Schiffe

Merkel betonte, dass die Bundesregierung sehe, wo es auf der Welt alternative Rohstoffquellen gebe. Sie dämpfte aber Erwartungen auf ein schnelles Ende der hohen Abhängigkeit der EU von russischen Energielieferungen. "Bestimmte Infrastruktur ist noch nicht so da, wie wir dies brauchen könnten", sagte sie. Denn an der amerikanischen Ostküste fehlen LNG-Exportterminals und in Deutschland ist in Wilhelmshaven ein seit Jahren geplanter LNG-Anladeterminal bisher nicht gebaut worden. Aber es gehe um "langfristige Orientierungen", sagte Merkel.

Als Folge der Krim-Krise hatten die EU und die USA bei der Energieversorgung am Mittwoch eine engere Zusammenarbeit vereinbart. Sobald es ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Partnern gebe, werde die Vergabe von Lizenzen für US-Unternehmen zur Lieferung von Flüssiggas (LNG) Richtung Europa wesentlich einfacher, hatte Obama in Brüssel betont.

Vizekanzler Gabriel sieht keine Alternative zu russischem Erdgas

Zum Import von Erdgas aus Russland gibt es nach Ansicht von Vizekanzler Sigmar Gabriel "keine vernünftige Alternative". In der Debatte über die Abhängigkeit Europas von russischem Öl und Gas werde fälschlicherweise so getan, als bestünden viele andere Möglichkeiten, kritisierte der Wirtschaftsminister und SPD-Chef am Donnerstagabend auf einem Energieforum der "Neuen Osnabrücker Zeitung", wie das Blatt berichtete. Dies sei nicht richtig.

Gabriel warnte zugleich vor "Panikmache" und übergroßer Furcht vor einem eventuellen Lieferstopp Moskaus. "Selbst in finstersten Zeiten des Kalten Krieges hat Russland seine Verträge eingehalten", betonte der Minister. (dpa/rtr)