Berlin. . Schilddrüsen-Medikamente, Blutdrucksenker, Krebsmittel: In Apotheken gibt es immer wieder Lieferengpässe für verschiedene Arzneien. Die meisten Mittel können durch Alternativen mit demselben Wirkstoff ersetzt werden - in manchen Fällen aber werden die Probleme bedrohlich.

Immer häufiger können Apotheken Kranken verschriebene Medikamente nicht aushändigen. Denn die Lieferengpässe bei verschiedenen Arzneien nehmen zu. Das beobachtet zumindest der Hessische Apothekerverband (HVA).

Bei Schilddrüsen-Präparaten habe der Verband schon im Herbst 2013 auf Lieferprobleme hingewiesen, ohne dass es bisher zu einer Besserung der Lage gekommen wäre. „Probleme gibt es aber auch bei einer immer größeren Zahl anderer Arzneimittel“, sagt der Vizechef des Verbands, Rudolf Diefenbach.

Blutdrucksenker und Krebsmittel

Betroffen sind neben Schilddrüsen-Arzneien vor allem Blutdrucksenker, einige Schmerzmittel, Antibiotika und sogar wichtige Krebsmittel. Die meisten Produkte können durch Konkurrenzangebote mit dem gleichen Wirkstoff problemlos ersetzt werden. Es gibt aber auch Fälle, in denen keine Alternative auf dem Markt ist.

Die offizielle Liste der Lieferengpässe vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte weist derzeit 14 Medikamente aus. Das allerdings sind nur jene Arzneimittel, bei denen die Versorgungsprobleme länger als zwei Wochen dauern, für die es keinen Ersatz gibt und die überwiegend zur Behandlung von lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen bestimmt sind. Eine aktuelle Umfrage des Hessischen Apothekerverbandes berichtet von 40 Präparaten, die teils wochenlang nicht lieferbar seien.

"Versorgung nicht gefährdet"

Der Onkologe Günther Wiedemann, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, beklagte unlängst, dass ein wichtiges Darmkrebsmittel (5FU) knapp sei. Bei einer anderen Umfrage unter Krankenhausapothekern in 20 europäischen Ländern hätten 96 Prozent angegeben, schon einmal ein Krebsmedikament nicht verfügbar gehabt zu haben, bei jedem dritten Klinikapotheker sei dies sogar der Dauerzustand. Der GKV-Spitzenverband der Krankenkassen sieht dennoch keinen Grund zur Unruhe. „Die Versorgung der Versicherten ist nicht gefährdet“, betont der Sprecher der Kassen, Florian Lanz. Der GKV räumt aber ein, dass es etwa bei Antibiotika Engpässe gibt. „Da gibt es ausreichend Ersatzpräparate“, so Lanz.

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Eindeutig Lieferprobleme ohne ausreichenden Ersatz gibt es bei manchen Impfstoffen. Die aktuelle Palette reicht von Seren gegen Gelbfieber, Typhus und Tollwut bis hin zu Polio und Tetanus. Der britische Pharmakonzern Glaxo-Smith-Kline etwa musste im Januar einräumen, seine Vierfach-Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken wegen Qualitätsproblemen nicht liefern zu können. Wegen erhöhter Nachfrage gab es auch Engpässe beim Vierfach-Impfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Polio und Keuchhusten.

Über die Gründe gehen die Ansichten auseinander. Industrie und Apotheker machen die Rabattverträge der Krankenkassen mit den Herstellern zumindest mitverantwortlich. Der Kostendruck sei so hoch geworden, dass sich eine kostspielige Lagerhaltung für die Industrie nicht mehr lohnt und die Produktion zunehmend in andere Länder verlagert werde. Den Vorwurf weisen die Kassen zurück. „Die Apotheker sind nicht frei von Eigeninteressen“, betont Lanz. Denn ihre Vergütung richtet sich zum Teil prozentual an den Verkaufspreisen der Arzneien.

Herstellung in wenigen Fabriken

Im Bundesgesundheitsministerium sah man zuletzt keinen Handlungsbedarf. CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn dagegen ist weniger entspannt. Er sieht in den Rabattverträgen, bei denen nur ein Hersteller zum Zuge kommt, in der Tat eine Ursache für die zunehmende Monopolisierung des Impfstoffmarktes. Für viele Stoffe gibt es nur einen oder zwei Hersteller. Wenn davon einer ausfällt, gibt es kaum oder keinen Ersatz. Spahn schlug daher vor, bei Rabatt-Ausschreibungen mehreren Herstellern den Zuschlag zu erteilen.

Die Monopolisierung bringt es mit sich, dass mancher Wirkstoff nur in sehr wenigen Fabriken auf der Welt hergestellt wird. Reicht die Qualität eines in Indien, China oder Russland erzeugten Rohstoffs nicht aus, kann es lange dauern, bis die Produktion wieder normal läuft.