Berlin. 100 Euro für jeden mehr plus 3,5 Prozent Gehaltszuwachs: Das fordern die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund für den Öffentlichen Dienst. Das könnte die öffentlichen Kassen bis zu acht Milliarden Euro kosten, warnt Innenminister de Maizière. Die Zeichen stehen auf Streik.

Wir pflegen dich gesund. Wenn’s brennt, holen wir dich raus. Deine Kinder können auf uns bauen. Es sind drei der Slogans, mit denen derzeit die Gewerkschaften für 2,2 Millionen Tarifbeschäftigte beim Bund und bei den Kommunen das Verständnis der Steuerzahler für höhere Einkommen im öffentlichen Dienst einfordern.

Verdi und Beamtenbund, die sich zur Tarifunion zusammengetan haben, verlangen in diesem Frühjahr einen massiven Aufschlag: Ein Plus von 100 Euro für alle im Monat – und linear 3,5 Prozent Lohn- und Gehaltszuschlag. Wer im Nahverkehr Busse und Bahnen steuert, soll noch einmal 70 Euro obenauf bekommen. Dazu: 30 Tage Urlaub für alle, unbefristete Übernahme der Auszubildenden. Die Laufzeit: 12 Monate.

„Selbstverständlich ist klar, dass es eine Lohnerhöhung gibt“

Thomas de Maizière (CDU), Bundesinnenminister und oberster Verhandlungsführer auf der Arbeitgeberseite, hat erstmal errechnet, was das den Staat kosten würde – zwei Milliarden Euro aus der Bundeskasse, sechs weitere Milliarden aus der der Kommunen, zusammen „rund sieben Prozent“. Er sagt: „Selbstverständlich ist klar, dass es eine Lohnerhöhung gibt.“ Er fügt mit Blick auf die Forderung hinzu: „Die Spielräume sehe ich nicht.“

Da spricht er vor allem für die kommunalen Interessen. Jede dritte Kommune und jeder zweite Landkreis steht wegen mangelnder Finanzkraft schon unter der Knute der Aufsichtsbehörden. In NRW ist das noch ausgeprägter.

Arbeitgeber machten erst einmal kein Angebot

Am Donnerstag musste der Minister die Absage erstmals den Gesprächspartnern auf der Gewerkschaftsseite erklären. Die Eröffnungsrunde ging auseinander, ohne dass es zu einem Gegenangebot der Arbeitgeber kam. Das Zögern gehört durchaus zum Spiel. Nach Meinung der Arbeitnehmerseite ist das aber jetzt nur verplemperte Zeit. Man will 2014 rasch verhandeln. Der Abschluss ist für Ende April angedacht.

De Maizière gegenüber sitzen Verdi-Chef Frank Bsirske und Achim Meerkamp. Der Duisburger Verdi-Mann Meerkamp besteht darauf: „Es gibt im öffentlichen Dienst einen Nachholbedarf gegenüber der Wirtschaft.“ Er sieht den vor allem in den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen. Deshalb auch der Ruf nach einem kräftigen Sockelbetrag, der für die Betroffenen alleine eine Erhöhung von zehn Prozent gegenüber den heutigen Zahlungen ausmachen würde, wie de Maizière glaubt.

Zwei unterschiedliche Philosophien prallen aufeinander

Die Sockelerhöhung von 100 Euro wird also zum Punkt, an dem die Verhandlungen schnell ins Leere laufen und Streiks die Folge sein können. Zwar haben die Arbeitgeber schon mal zu so einer Lösung Ja gesagt. Das war 2008. Aber diesmal sind die Philosophien der Tarifpartner unterschiedlicher. Bei Verdi drängt die Basis, die nach mehr Kaufkraft ruft. Auf Seite des Staates wollen Bund wie Kommunen lieber attraktivere höhere Gehälter spendieren, weil sie ihre Kader nur so mit dringend gesuchten Spezialisten auffüllen können.

Tarifexperten des Innenministers warnen deshalb unterschwellig: Die hohe Sockelaufstockung würde zu einer „Veränderung der bewährten Entgeltgruppen führen“. Je höher dort der Abschluss, desto höher sei die Versuchung für Arbeitgeber, weitere Aufgaben zu privatisieren. Also: Fremdcatering statt eigene Kantine, beim Fuhrpark Wartung durch Fremd- statt durch eigene Werkstätten. Denn die Tarife bei den Privaten liegen weit unter denen beim Staat.

"Rote Linien hat man nur im Kopf", sagt de Maizière

Wo am Ende der Ausweg liegt? Vielleicht bei den Einmalzahlungen, vielleicht bei einem Entgegenkommen der Arbeitgeber bei der Laufzeit, die in der jüngeren Vergangenheit zum Ärger der Gewerkschaften mal 24, mal 36 Monate lang war. „Rote Linien“, sagt der Minister Thomas de Maizière, „verrät man nicht. Die hat man im Kopf.“