Essen. . Der angeschlagene Konzern Karstadt stellt alle 83 Filialen auf den Prüfstand und will Schließungen nicht ausschließen. Die Handelskette Strauss Innovation, die tief in den roten Zahlen steckt, flüchtete gestern vor ihren Gläubigern ins Schutzschirmverfahren. 1400 Mitarbeiter in 96 Filialen bangen.
Die Krise der Traditionsunternehmen im deutschen Handel hat gestern einen weiteren Höhepunkt erreicht. Das über 110 Jahre alte Handelsunternehmen Strauss Innovation mit 97 Filialen kommt offenbar nicht aus eigener Kraft aus der Schieflage und hat ein Schutzschirmverfahren beantragt. Zugleich sorgt ein Interview des Karstadt-Aufsichtsratschefs Stephan Fanderl für Unruhe. Fanderl sagte, alle 83 Warenhäuser stünden auf dem Prüfstand.
Es gehe darum, schnell Klarheit zu schaffen, „welche dieser Filialen wir zügig wieder auf eine positive Bahn bekommen und welche Häuser trotz aller gemeinsamen Bemühungen nicht zu drehen sind. Hier ist die Frage unabweisbar, ob sie grundsätzlich oder in der bisherigen Form weiter betrieben werden können“, sagte Fanderl der „Welt“. Im Weihnachtsgeschäft habe Karstadt ein Umsatzminus hinnehmen müssen. „Wir verdienen mit den Warenhäusern kein Geld.“
Sorgen um die Innenstädte
Damit dürfte nach den Pleiten von Hertie 2009 und Wehmeyer 2011 wieder das große Zittern beginnen. Strauss beschäftigt 1400 Menschen. Nicht nur die Mitarbeiter machen sich Sorgen, auch bei den Bürgermeistern der Standorte dürften die Nachrichten die Alarmglocken schrillen lassen. Kaufhäuser wie Strauss oder Karstadt sind immer auch Kunden-Magneten in den Innenstädten. Schließt ein Haus, droht auch die Nachbarschaft Schaden zu nehmen.
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Strauss ist mit 41 Filialen stark in NRW vertreten. Das Unternehmen vertreibt Textilien, Deko-Artikel, spezielle Lebensmittel und ist stark auf Saisonware ausgerichtet. In Dortmund ist Strauss mit zwei, in Bochum, Moers, Kleve, Mülheim, mit je einem Geschäft vertreten. In Düsseldorf gibt es sechs Standorte.
Das Management, das das Schutzschirmverfahren auch für Strauss Logistik beantragt hat, gab sich zuversichtlich, das Unternehmen sanieren zu können. Der Geschäftsbetrieb laufe weiter. In Schwierigkeiten sei man geraten, weil die Saisongeschäfte nicht gegen die Wetterlagen angekommen seien: Im Frühjahr habe die Kälte das Geschäft mit Gartenmöbeln und Frühjahrstextilien ausgebremst; der warme Winter verhagelte das Weihnachtsgeschäft.
Schlechtes Weihnachtsgeschäft bei Karstadt
Auch bei Karstadt ist das Weihnachtsgeschäft mit einem Umsatzminus von 2,3 Prozent im Quartal von Oktober bis Dezember schlecht gelaufen. Ungewöhnlich offen kritisierte Aufsichtsratschef Fanderl auch Fehler der Vergangenheit. Es sei nicht gelungen, mit jungen und neuen Marken den Trend zu drehen. Auch die neue Chefin Eva-Lotta Sjöstedt deutete jüngst an, wieder verstärkt auf Dinge des täglichen Bedarfs zu setzen.
Wie man hört, will die Führungsspitze keinesfalls mehr dauerhafte Verlustbringer dulden. Von den 83 Warenhäusern finden sich jeweils ein Standort in Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Mülheim und Recklinghausen. Fanderl sagte, man werde bei der Überprüfung „im Schulterschluss mit den Arbeitnehmervertretern“ vorgehen.
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Mitarbeiter per Mail informiert
Von dieser Ankündigung zeigte sich die Gewerkschaft Verdi verwundert. „Wir verhandeln über Standort-, Beschäftigungssicherung und die Rückkehr zur tariflichen Bezahlung. Wir verhandeln nicht über einzelne Filialschließungen“, so eine Sprecherin.
Über den neuerlichen Krisenalarm bei Karstadt wurden die Mitarbeiter, die seit Jahren Lohnverzicht üben, gestern per E-Mail informiert: Der Konzern verschickte kommentarlos das Interview mit Fanderl. Arno Leder, Betriebsratschef in der Essener Verwaltung, sagte, nichts sei entschieden. Er hoffe, dass die derzeit laufenden Sparmaßnahmen bei den Sachkosten ausreichen und sprach sich gegen Schließung von Filialen und Stellenabbau aus.