Berlin. . Der Arbeitsökonom Hilmar Schneider sieht glänzende Berufsperspektiven für junge Leute, die derzeit noch Schüler sind. Der sich abzeichnende Fachkräfte-Mangel kann nach seiner Einschätzung aber noch zu einem positiven Effekten führen: zur Neuauflage der Diskussion über die Humanisierung der Arbeit.

Was für ein Unterschied: Als die Generation der heute 50-jährigen Eltern ihre Berufsbiographien in den 80er Jahren startete, war die Angst vor Arbeitslosigkeit ständiger Begleiter. Ihre Kinder dagegen, die auf den Arbeitsmarkt treten, können den Weg entspannter gehen. „Qualifizierte junge Leute, die sich nicht ganz dusselig anstellen, werden mit großer Wahrscheinlichkeit gute Jobs bekommen“, sagt Ökonom Hilmar Schneider (56).

„Das ist eine deutlich andere Botschaft als vor 30 Jahren,“ fügt der Chef des Zentrums für Sozialwissenschaftliche Studien (CEPS Instead) in Luxemburg hinzu. Schneider ist Spezialist für Arbeitsmärkte. Lange leitete er das Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn.

Niedrige Geburtenzahl

Der wesentliche Grund für Schneiders Optimismus liegt in der Bevölkerungsentwicklung. Im Jahrgang 1961 beispielsweise wurden rund 1,3 Millionen Kinder geboren. Die meisten von ihnen gehen heute einer bezahlten Arbeit nach. 1999 hingegen kamen nur etwa 800 000 Kinder auf die Welt – eine halbe Million weniger als eine Generation zuvor. Diese Anzahl von Arbeitskräften wird fehlen, wenn der Jahrgang 1999 bald den seiner Eltern in der Autoproduktion, in Planungsbüros oder Anwaltskanzleien ersetzen soll.

Ökonom Hilmar Schneider.
Ökonom Hilmar Schneider.

Deshalb lautet die hoffnungsvolle Ansage an die Schüler von heute oft: Um Euch werden sich die Arbeitgeber später reißen. Allerdings mahnt Schneider auch zu einer gewissen Vorsicht. Ein Selbstläufer sei die Entwicklung nicht: „Vollbeschäftigung ist nicht garantiert. Es besteht das Risiko, dass das Wachstum der Beschäftigung an den Arbeitslosen vorbeiläuft.“

Schlechte Chancen für schlecht Qualifizierte

Wie das? Eine Antwort lautet, dass sich die Unternehmen und Verwaltungen auf den Mangel an Arbeitskräften einzustellen versuchen – beispielsweise indem sie einfache Arbeiten wegrationalisieren. Mögliches Ergebnis: Die Erwerbslosigkeit geht zwar weiter zurück, aber Bewerber mit schlechten Qualifikationen finden auch weiterhin keine Stelle.

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Trotzdem meint Schneider, dass die Großwetterlage auf dem Arbeitsmarkt zugunsten vieler Arbeitnehmer aufklart. „Den Unternehmen bleibt sehr bald nichts anderes übrig, als Qualifikationen zusätzlich zu honorieren“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. „In Berufen, wo es zu wenige Bewerber gibt, werden deshalb die Löhne steigen.“

Demografischer Wandel

Welche Ausmaße dies annehmen kann, haben Schneider und seine Kollegen unlängst in einer Studie untersucht. Würden sich die Folgen des demografischen Wandels in vollem Umfang in Lohnsteigerungen übersetzen, müssten die Gehälter demnach innerhalb von 20 Jahren inflationsbereinigt um etwa 50 Prozent steigen. Rechnerisch wären das über zwei Prozent jährlich – nach Abzug der Inflation. Solche dauernden Reallohnzuwächse gab es schon lange nicht mehr. „Ob es wirklich so kommt, steht auf einem anderen Blatt.“

Humanisierung der Arbeit

Doch ist Geld nicht alles. In den 1970ern starteten die Gewerkschaften in Deutschland eine große Kampagne zur „Humanisierung der Arbeit“. Die Beschäftigten sollten mehr Verantwortung erhalten, über Arbeitszeiten und Organisation der Tätigkeiten mitbestimmen können. Arbeit im Team bekam einen größeren Stellenwert. Man baute bessere Entlüftungsanlagen in die Fabrikhallen ein und sorgte für Lärmschutz. Wenn Arbeitskräfte knapp werden, könnte eine ähnliche Bewegung auch in Zukunft wieder entstehen.

„Eine Renaissance des Begriffs `Humanisierung der Arbeit` halte ich für denkbar“, so Schneider, „ Arbeitnehmern mit gesuchten Qualifikationen müssen die Unternehmen mehr bieten als Geld.“ Sicher werden die Angebote aber andere sein, als vor 40 Jahren. Künftig geht es dann vielleicht auch darum, dass die Firmen nicht nur der Bewerberin, die sie haben wollen, eine Stelle bieten, sondern sich parallel um eine Tätigkeit für den Ehepartner bemühen.