Shanghai. . Bis zum 1. Juli diesen Jahres wollte der US-Computerriese Apple die Arbeitsbedingungen bei den Werken seiner chinesischen Produzenten deutlich verbessern. Apple war Ausbeutung der Beschäftigten vorgeworfen worden. Die Frist ist längst vorbei - hat Apple seine Selbstverpflichtung erfüllt?
iPhone-Arbeiter Wei Liu (Name geändert), kommt von der Nachtschicht. Fünf Minuten vom Haupteingang der Firma Pegatron in der Großstadt Shanghai entfernt gibt es einen Markt mit Essenständen. Es duftet, die Sonne scheint, Zeit für das Frühstück: Glasnudeln, Pilze, Sprossen, dazu Mantou – dicke, weiße Dampfbrötchen.
Liu macht an der Berufsschule eine Ausbildung zum Maschinentechniker. Hier in der Fabrik ist er Praktikant, arbeitet seit drei Monaten am Band und baut den Vibrationsmechanismus in das iPhone 5s – das neueste Produkt des US-Konzerns Apple. Der 20-Jährige erklärt, warum die Arbeit im Auftrag von Apple für ihn Fortschritt bedeutet.
Der Arbeiter fühlt sich fair bezahlt: 4000 Yuan pro Monat, etwa 500 Euro, erwirtschaftet er in 70 Arbeitsstunden. Für seinen Lebensunterhalt reiche das Geld locker. Und nicht nur dafür: Einige tausend Yuan lege er pro Jahr zurück. Das Geld schicke er an seine Eltern – für sie, für seine eigene Zukunft.
Hunderte Millionen Chinesen sind der Armut auf dem Land entkommen
Der Mann ist einer von Millionen Beschäftigten, die in China für die Kult-Company Apple iPhones, iPads und Laptops produzieren. Für die Zustände in den Zulieferfabriken begann sich die Öffentlichkeit 2010 zu interessieren, als 13 Arbeiter sich von den Fabrikdächern in den Freitod stürzten. Sieben Tage am Fließband pro Woche, nicht selten 80 Arbeitsstunden wöchentlich, kaum freie Tage oder Urlaub, Löhne von weniger als einem Euro pro Stunde, Kontakt mit giftigen Substanzen ohne ausreichende Schutzkleidung, Schikanen durch Vorarbeiter, überfüllte Wohnheime – so beschrieben Beschäftigte 2010 ihr Arbeitsleben. Apple versprach, die Arbeitsbedingungen zu verbessern – bis zum 1. Juli 2013. Die Frage ist nun: Halten die Firmen und ihre Zulieferer die Versprechen ein?
Liu sieht müde aus. „Die Arbeit hier ist nicht anstrengend“, sagt er trotzdem. Er meint: Im Vergleich zur Arbeit seiner Eltern, die Bauern sind. Wie ist das Leben in seinem Heimatdorf? Dreimal säen pro Jahr, die Felder beackern, drei Ernten, immer arbeiten, nicht elf, zwölf Stunden täglich wie er, sondern immer. „Dennoch haben meine Eltern kein sicheres Einkommen, wegen des Wetters“. Ja, Liu ist müde. Aber er findet: „Ich habe es besser als sie“.
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Auch Soziologie-Professor Huilin Lu (44) von der Peking-Universität sieht den Fortschritt. Er kann ihn beziffern. Der Mindestlohn stieg von 245 Yuan im Jahr 1992 auf heute 1600 Yuan. So will es auch die Regierung. Die Leute sollen mehr Geld verdienen, mehr lernen, hochwertige Produkte herstellen. Hunderte Millionen Chinesen sind während der vergangenen 30 Jahre der Armut auf dem Land entkommen. Heute wohnen sie in neuen Städten, gehen in Karaoke-Bars, in Kinos, kaufen Kühlschränke, fahren Motorrad.
Nur arbeiten, essen, schlafen
Auch die Zustände in den Apple-Zulieferfabriken werden besser. Die Löhne steigen. Beim Hauptzulieferer Foxconn achten die Manager mehr darauf, dass die Vorarbeiter die Beschäftigten nicht drangsalieren, das Personal keine unzulässigen Abzüge vom Lohn hinnehmen muss und dass der Gesundheitsschutz in den Fabriken funktioniert.
Fortschritt also. Aber auch: „Schwere Ausbeutung“, sagt Soziologe Lu, „denn der Arbeitslohn in der Produktionskette von Apple reicht nur, um jeweils eine Person zu unterhalten. Eine eigene Familie können die Beschäftigten damit nicht finanzieren.“ Obwohl die Leute zwölf Stunden täglich am Band stehen, obwohl sie oft nur arbeiten, essen, schlafen, wieder arbeiten.
Zu den Problemen, die Apple zu lösen versprach, gehören auch die langen Arbeitszeiten. Das chinesische Gesetz erlaubt maximal 49 Stunden pro Woche. Wie der Praktikant Liu und viele seiner Kollegen bestätigen, lag die Arbeitszeit aber noch im September weit darüber.
Auch dieser Befund hat zwei Seiten. Soziologie-Professor Lu wirft Apple vor, seine Zusagen zumindest teilweise nicht einzuhalten. Arbeiter Wei Liu dagegen sagt, dass er mit 70 Stunden pro Woche kein Problem habe. Er will schnell Geld sparen – für eine bessere Zukunft.