Essen. . Erst 68 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitet das Unternehmen Dr. Oetker seine Nazi-Vergangenheit und Verbindungen zum Hitler-Regime auf. Dies, so erklärte August Oetker im Interview mit der Zeit, war erst nach dem Tod seines Vaters Rudolf-August möglich.
Sie sind eine der Unternehmer-Dynastien Deutschlands, die Oetkers. Doch der Erfolg der Bielefelder hat Schattenseiten. Diese sind tiefbraun: Die Oetkers waren, wie viele deutsche Großindustrielle, eng mit dem NS-Regime verbunden. Doch im Gegensatz zu anderen Unternehmen wurde bei Dr. Oetker jahrzehntelang zu der dunklen Vergangenheit geschwiegen.
Erst jetzt, 68 Jahre später, räumte das Unternehmen auf, beauftragte Historiker, die in der kommenden Woche ihre Studie „Dr. Oetker und der Nationalsozialismus“ veröffentlichen. Vorab berichtet August Oetker, 1981 bis 2009 an der Firmen-Spitze, im „Zeit“-Interview über die Familien- und Unternehmensgeschichte – und warum die Aufarbeitung zu Lebzeiten seines Vaters Rudolf-August nicht möglich war.
Oetker-Stiefvater Richard Kaselowsky war Nationalsozialist
Richard Kaselowsky, der Stiefvater von Rudolf-August Oetker, war demnach ein glühender Nationalsozialist. 1919 heiratete er in den Oetker-Clan ein. Er war Parteimitglied, gehörte zum Freundeskreis Reichsführer-SS, einem Zirkel, der von persönlichen Beziehungen zwischen Wirtschaftselite und SS geprägt war.
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Kaselowsky war Antisemit, kaufte Eigentum von Juden, die von den Nazis enteignet worden waren. Er kooperierte mit der SS im Bereich Ersatzlebensmittel. Zwangsarbeiter wurden zwar nicht für die Herstellung von Oetker-Nahrungsmitteln eingesetzt – dafür war Pudding nicht kriegswichtig genug. Aber in mehreren Beteiligungsfirmen.
Die Oetkers wollten dazugehören, sagt der Sohn
Oetker stieg unterm Hakenkreuz auf. Das Unternehmen expandierte im Dritten Reich, kaufte die Reederei Hamburg Süd sowie Brennereien und Brauereien, zum Teil von Juden. „Die Nazis waren die neuen Honoratioren, deren Nähe man gesucht hat. Meine Familie wollte dazugehören“, sagt August Oetker.
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Auch Vater Rudolf-August stand den Nazis bedenklich nahe. Sein Sohn August sagt heute über ihn: „Ja, er war ein Nationalsozialist. Er wurde es wohl, weil ihn die Zeit und vor allem sein Stiefvater Richard Kaselowsky geprägt haben.“ Der Sohn will damit keinesfalls den Vater entschuldigen. Bemerkenswert offen spricht er im Interview über die Nazi-Vergangenheit und darüber, wie über sie in der Oetker-Familie geschwiegen wurde, wie Nachfragen der Kinder abgewiegelt wurden, wie sich der 2007 verstorbene Vater gegen die Aufarbeitung wehrte.
Auch andere Unternehmen haben lange gebraucht, um ihre Vergangenheit aufzuarbeiten
Rudolf-August Oetker war ebenfalls NSDAP-Mitglied, wechselte von der Wehrmacht freiwillig zur Waffen-SS, war Untersturmführer, machte im Wirtschafts-Verwaltungsdienst Karriere. Er absolvierte einen Teil der Ausbildung im KZ Dachau. Nach dem Krieg arbeitete Rudolf-August Oetker, Vorzeigefigur in Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders, weiter mit Altnazis zusammen. Er sei weiter anfällig gewesen für rechtes Gedankengut, sagt sein Sohn.
Das Unternehmen Dr. Oetker hat lange gebraucht, um sich mit seiner Nazi-Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ähnlich war es bei der Quandt-Dynastie, BMW-Großaktionär. Erst im letzten Jahr brachen sie das Schweigen über KZ-Häftlinge, die in ihren Werken unter härtesten Bedingungen arbeiten mussten. Auch Hugo Boss, einst Schneider für SA- und SS-Uniformen, ließ 2011 seine Nazi-Geschäfte untersuchen. Zahlreiche namhafte Konzerne profitierten vom NS-Regime, etwa Bertelsmann, Krupp oder Volkswagen.