Köln. Zum ersten Mal hat sich August Oetker über die braune Vergangenheit seines Vaters geäußert. In einem Interview gesteht der Ex-Chef des Lebensmittelkonzerns: “Mein Vater war Nationalsozialist.“ Die Firma hat eine Studie zu ihrer NS-Geschichte bezahlt. Gegen den Widerstand einiger Familienmitglieder.
Knapp 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg gibt die Bielefelder Oetker-Gruppe jetzt eine tiefen Einblick in ihre Verstrickung in den Nationalsozialismus. "Mein Vater war Nationalsozialist", sagte August Oetker der Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstag). Der 69-jährige Sohn und Nachfolger von Rudolf-August Oetker ist Beiratsvorsitzender der Unternehmensgruppe.
In der Familie habe es über die Aufarbeitung zunächst Differenzen gegeben. "Die jüngeren Geschwister sind meinem Vater noch nicht so entwachsen", erklärte Oetker die Meinungsverschiedenheiten. "Die haben sich gefragt: Tun wir unserem Vater da etwas Böses an? Sorgen wir dafür, dass sein sonst so guter Ruf befleckt wird?"
Oetker-Vater wollte über NS-Zeit nicht sprechen
Über den Vater sagte er nun: "Er wurde es wohl, weil ihn die Zeit und vor allem sein Stiefvater Richard Kaselowsky geprägt haben." Am kommenden Montag erscheint das Buch "Dr. Oetker und der Nationalsozialismus". Die Studie von Historikern war von der Familie in Auftrag gegeben und bezahlt worden. Rudolf-August Oetker (1916-2007) war seit 1941 im Unternehmen. Sein Stiefvater Richard Kaselowsky (1888-1944) führte das Unternehmen bis zu seinem Tod bei einem Luftangriff. Dann übernahm Rudolf-August Oetker das Amt.
Auch interessant
Zu Lebzeiten hatte Rudolf-August Oetker eine Aufarbeitung dieser Epoche abgelehnt. "Er wollte über diese Zeit nicht sprechen", sagte August Oetker. Lange hatte er zudem verbreitet, er sei mitsamt seinem Reiterverein in die Waffen-SS geraten. Der "Zeit" zufolge kam er aber als Mitglied eines Reitervereins in den 1930er Jahren lediglich in die Reiter-SA. Zur Waffen-SS habe er sich später freiwillig gemeldet. "Ja, er war ein Nationalsozialist", sagte August Oetker.
Familie Oetker war Stütze der NS-Gesellschaft
Die Studie stellt fest, dass Kaselowsky und mit ihm die Familie und ihre Unternehmen Verantwortung für das politische System trugen, in dem sie lebten. Sie seien Stützen der NS-Gesellschaft gewesen. Zudem hätten sie die Nähe des Regimes gesucht und von dessen Politik profitiert.
Die Geschwister hätten dieses Fazit akzeptiert, sagte August Oetker. "Die Nazis waren die neuen Honoratioren, deren Nähe man gesucht hat. Meine Familie wollte dazugehören (...)." So war Kaselowsky sehr bereitwillig Mitglied im exklusiven Zirkel des Freundeskreises Reichsführer SS, Heinrich Himmler.
"Plötzlich war man in Kreisen, in die man eigentlich nicht kam - zum Beispiel im Himmler-Kreis", sagte August Oetker. "Da saß die Großindustrie. Es gab wohl auch ein gewisses Schutzbedürfnis. Die Partei hieß ja nationalsozialistisch. Und die Sozialisten mögen die Kapitalisten nicht. Wir sind aber Kapitalisten."
Auch nach 1945 sei sein Vater noch anfällig für rechtes Gedankengut gewesen, sagte sein Sohn August Oetker jetzt. "Das sind die Menschen bis heute. Und er war es auch." (dpa/afp)