Wiesbaden. Die Tariflöhne steigen dieses Jahr um fast drei Prozent. Doch bei den Menschen kommt nur wenig an. Die Inflation zehrt das Lohnplus wieder auf. Allein der Staat profitiert kräftig. Die Debatte über den Abbau “heimlicher Steuererhöhungen“ gewinnt an Fahrt.

Die deutschen Arbeitnehmer haben trotz teils kräftiger Lohnerhöhungen unter dem Strich nicht mehr Geld in der Tasche. Die Reallöhne sind im zweiten Quartal dieses Jahres erneut nicht gestiegen, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden berichtete. Zwar nahmen die Nominallöhne gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,5 Prozent zu. Allerdings kletterten im selben Zeitraum auch die Verbraucherpreise entsprechend stark, so dass das Lohnplus komplett von der Inflation aufgezehrt wurde.

Im ersten Quartal waren die Reallöhne erstmals seit 2009 sogar um 0,1 Prozent gesunken, da die Preise stärker zugelegt hatten. Profitiert hat von dem Lohnplus vor allem der Staat, der mehr Steuern eingestrichen hat. Die aktuellen Zahlen werden die Debatte über Entlastungen der Steuerzahler anheizen. Dazu soll das Problem der "kalten Progression" gemildert werden. Der Staat soll weniger an Geldentwertung und "heimlicher Steuererhöhung" verdienen.

Reale Kaufkraft sinkt, Fiskus gewinnt

Hintergrund ist, dass wegen steigender Steuersätze bei Lohnzuwächsen ganz normal auch mehr Einkommensteuern anfallen. Zum Problem wird dies, wenn die Lohnzuwächse brutto lediglich zu einem Ausgleich der Preissteigerung führen. Trotz Inflationsausgleichs sinkt die reale Kaufkraft der Steuerzahler, der Fiskus verdient trotzdem. Ein Vorstoß von Union und FDP war zuletzt am Widerstand der Länder aufgrund der Mindereinnahmen gescheitert.

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Die Statistiker führen die Stagnation unter anderem auf gestrichene Sonderzahlungen zurück. Blieben sie unberücksichtigt, wären die Bruttoentgelte um 1,9 Prozent geklettert und hätten damit über der Preissteigerung gelegen. Steigende Reallöhne gelten als Stütze für den privaten Konsum. Sie waren in Deutschland nach einer langen Flaute in den vergangenen drei Jahren moderat gestiegen.

Verband fordert Ende der Steuerhöhung durch die Hintertür

Im Schnitt verdiente ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ohne Sonderzahlungen 3447 Euro brutto im Monat. Die Spanne reichte von 2013 Euro im Gastgewerbe bis zu 4535 Euro, die durchschnittlich bei Banken und Versicherungen gezahlt wurden. Die höchsten Steigerungen von 5,7 Prozent innerhalb der Jahresfrist verbuchten die geringfügig Beschäftigten, was mit der zu Jahresbeginn auf 450 Euro angehobenen Verdienstgrenze für Mini-Jobber zu tun haben dürfte. Die Vollzeitbeschäftigten bekamen nominal nur 1,2 Prozent mehr Geld.

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Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, forderte: "Diese Steuererhöhungen durch die Hintertür müssen endlich ein Ende haben. Die nächste Bundesregierung muss diese Gerechtigkeitslücke schließen." Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Fuchs, sagte, nach der Regierungsbildung werde die Union das Thema zeitnah anpacken: "Wir werden den letzten Entwurf zum Abbau der kalten Progression, der im Bundesrat gescheitert ist, zügig wieder hervorholen."

Das Aufkommen aus der Lohn- und Einkommensteuer stieg für den Staat zwischen April und Juni des Jahres kräftig von rund 60,8 Milliarden auf gut 97,1 Milliarden Euro. Für 2013 wurde zuletzt ein Anstieg auf fast 198 Milliarden Euro geschätzt. (dpa)