Berlin. Leih- und Zeitarbeit findet längst nicht mehr in einer rechtlichen Grauzone statt. Im Gegenteil: Spezielle Regeln schützen die Beschäftigten der Branche vor Ausbeutung. Zum 1. Januar 2014 erhöht sich außerdem der Mindestlohn.
Fast 800.000 Deutsche sind derzeit bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. In häufig wechselnden Betrieben zu arbeiten, ist für sie Alltag. «Leiharbeit zieht sich durch alle Branchen», sagt Gerd Denzel, Fachbereichssekretär in der Verdi-Bundeszentrale in Berlin. Besonders verbreitet sei sie im Maschinenbau und in der Automobilindustrie, aber auch in Logistik, Abfallwirtschaft, Druckindustrie oder im Gesundheitssektor kommt sie zum Einsatz.
Grundsätzlich haben Mitarbeiter auf Zeit die gleichen Rechte wie andere Arbeitnehmer, erläutert Denzel. Der Arbeitgeber muss Beiträge zu den Sozialversicherungen abführen, den Lohn im Krankheitsfall weiterzahlen und sich an den gesetzlichen Kündigungsschutz halten. «Bei der Leiharbeit besteht im Regelfall ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher», sagt Prof. Peter Schüren, Arbeitsrechtler an der Universität Münster. «Befristet ist nur der Einsatz beim Entleiher.»
Probleme in der Praxis
Zumindest auf dem Papier ist also alles in Ordnung. «Das Problem ist die praktische Ausgestaltung der gesetzlichen Rechte», sagt der Gewerkschafter Denzel. In der Praxis werde das Arbeitsverhältnis oft nach Beendigung des Einsatzes sofort gekündigt. «Der gesetzliche Kündigungsschutz greift erst nach sechs Monaten, aber ein Leiharbeitsverhältnis dauert im Durchschnitt drei Monate.» So werde der Schutz faktisch ausgehebelt. «Die klassische Erwerbsbiografie geht so: Arbeitslosigkeit, Leiharbeit, erneute Arbeitslosigkeit.»
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Wolfram Linke, Sprecher des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) in Münster, verteidigt die Branche: «Wenn es keine Einsatzmöglichkeit für den Arbeitnehmer gibt, wird der Lohn dennoch weitergezahlt.» Meist würde eine einsatzfreie Zeit zum Abbau von Überstunden genutzt, um eine Kündigung zu vermeiden.
Gleichbehandlungsgrundsatz gilt
Um die größten Missstände zu beseitigen, wurde 2011 das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz reformiert, das die Leiharbeit regelt. Seitdem haben Leiharbeitnehmer beispielsweise das Recht, Gemeinschaftseinrichtungen wie Betriebskindergärten und Kantinen zu nutzen. «Dem Leiharbeiter nutzt das aber oft nicht viel», sagt Schüren. Der Grund: «Mit der Gesetzesreform wurde auch die dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern abgeschafft.» Wer aber nur kurze Zeit am Einsatzort ist, wird kaum seine Kinder in die Kita des Betriebs schicken.
Auch die Bezahlung der Leiharbeit hat sich in den vergangenen Jahren verbessert: «Die Zeiten des Lohndumpings mit Hilfe der Leiharbeit sind vorbei», sagt Schüren. «Die Tarifverträge für Leiharbeitnehmer sind viel besser als noch vor zehn Jahren.» Seit 2003 gelte ein Gleichbehandlungsgrundsatz: «Entweder muss für einen Leiharbeiter Tariflohn bezahlt werden oder der im Einsatzbetrieb übliche Vergleichslohn.» Damit mache es für eine Zeitarbeitsfirma keinen Sinn, nicht nach Tarif zu bezahlen - der Vergleichslohn ist meist höher. Seit 2012 gilt für die Branche zudem ein gesetzlicher Mindestlohn.
Mindestlohn erhöht sich
Dieser Mindestlohn erhöht sich zum 1. Januar 2014. Im Westen bekommen Zeitarbeiter dann 3,8 Prozent mehr Lohn - im Osten sind es 4,8 Prozent. Für die unterste Entgeltgruppe bedeutet das Stundenlöhne von mindestens 8,50 Euro im Westen. Im Osten sind es laut der Arbeitgeberseite 7,80 Euro, die Gewerkschaft geht von 7,86 Euro aus. Bis zum Jahr 2016 soll der Mindestlohn schrittweise auf 9,00 Euro im Westen und 8,50 Euro im Osten angehoben werden.
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Die Zeitarbeitsfirma ist auch dazu verpflichtet, ein Arbeitszeugnis zu schreiben. «Bei einem längeren Arbeitseinsatz sollten Leiharbeiter ruhig auch den Einsatzbetrieb um eine Beurteilung bitten», rät Schüren. Auch muss ein Zeitarbeiter keineswegs jede Tätigkeit übernehmen: «Im Arbeitsvertrag ist geregelt, welche Arbeiten abgelehnt werden dürfen und welche nicht», sagt Linke. Ausdrücklich im Gesetz festgehalten ist, dass Leiharbeiter nicht als Streikbrecher arbeiten müssen: «Hier gibt es ein Verweigerungsrecht», betont Schüren.
Erstmal mit dem Vorgesetzten reden
Linke rät dazu, bei Problemen im Betrieb erstmal mit dem Vorgesetzten zu reden. Häufig ließen sich Schwierigkeiten auf diese Weise beseitigen: «Viele Zeitarbeitsfirmen sind schon wegen der großen Konkurrenz auf einen arbeitnehmerfreundlichen Ruf bedacht.» Der IGZ hat zudem eine unabhängige Kontakt- und Schlichtungsstelle eingerichtet, an die sich Arbeitnehmer von IGZ-Mitgliedsfirmen wenden können, wenn es Missstände am Arbeitsplatz gibt. «Unsere Mitglieder müssen sich an einen Ethikkodex halten», sagt Linke. «Wer das nicht tut, dem droht in letzter Konsequenz der Ausschluss aus dem Verband.»
Bei der Wahl der Zeitarbeitsfirma sollten Arbeitssuchende daher darauf achten, dass diese einem der beiden Arbeitgeberverbände angehört, rät Linke. «Eine gute Zeitarbeitsfirma fragt schon beim Einstellungsgespräch die Qualifikationen ab sowie die persönliche Situation, also beispielsweise gesundheitliche Einschränkungen.» Denzel rät dazu, sich bei der Gewerkschaft vor Ort zu erkundigen, ob die Firma bereits einschlägig bekannt ist. So können Arbeitssuchende sicherstellen, dass sie nicht an ein schwarzes Schaf geraten. (dpa)