Essen. . Das Kartellamt hat erneut ein Bußgeld gegen Thyssen-Krupp wegen des Schienenkartells verhängt. Diesmal muss der finanziell angeschlagene Konzern 88 Millionen Euro zahlen. Es könnte noch teurer werden für Thyssen-Krupp. Verkehrsbetriebe wie die Essener Evag wollen Schadenersatz fordern.
Mit illegalen Absprachen wollten sie viel Geld verdienen, doch nun müssen die Unternehmen selbst teuer für ihre Mauscheleien bezahlen – allen voran Thyssen-Krupp: Das Bundeskartellamt verdonnerte acht Schienenhersteller zu Bußgeldern in Höhe von knapp 100 Millionen Euro, davon entfallen allein auf den Essener Konzern 88 Millionen Euro. Es ist bereits das zweite Bußgeld im Schienenkartell-Fall: In einem ersten Verfahren, in dem es um Aufträge der Deutschen Bahn ging, hatte die Behörde bereits ein Bußgeld von 103 Millionen Euro gegen Thyssen-Krupp verhängt. Diesmal ging es um Geschäfte zu Lasten von Nahverkehrsbetrieben und Privat- oder Regionalbahnen.
Zwar muss Thyssen-Krupp nun nicht mehr mit weiteren Bußgeldern wegen des Schienenkartells rechnen, damit ist der Fall aber noch nicht erledigt. Denn es drohen noch millionenschwere Schadenersatzforderungen der betroffenen Kunden. Die Deutsche Bahn hat bereits eine Klage eingereicht, ähnlich könnten auch Nahverkehrsbetriebe aus NRW vorgehen.
Evag aus Essen und Düsseldorfer Rheinbahn fordern Geld zurück
„Es ist unbestritten, dass wir Schadenersatz fordern werden“, sagte Nils Hoffmann von der Essener Verkehrs-AG (Evag) im Gespräch mit dieser Zeitung. „Allerdings ist auch eine außergerichtliche Einigung möglich.“ Derzeit werde noch die Höhe des Schadens ermittelt, der innerhalb von zehn Jahren entstanden sei. Auch die Düsseldorfer Rheinbahn kündigte bereits rechtliche Schritte an, sollte es keine außergerichtliche Einigung mit Thyssen-Krupp geben.
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Der finanziell angeschlagene Konzern erklärte, das neue Bußgeld des Kartellamts sei durch eine bereits gebildete Rückstellung von 207 Millionen Euro gedeckt. Bußgelder verschickten die Wettbewerbshüter im aktuellen Schienenkartell-Fall nicht nur an Thyssen-Krupp, sondern auch an den österreichischen Stahlkonzern Voestalpine sowie kleinere Unternehmen aus Braunschweig, Marl-Sinsen, München, Holzwickede, Dortmund und Aalen. Die Gelder fließen in den Bundeshaushalt.
„Die Absprachen zielten darauf ab, Ausschreibungen beziehungsweise Projekte unter den Kartellbeteiligten aufzuteilen“, erklärte Kartellamtspräsident Andreas Mundt. „Aufgrund des über Jahre praktizierten Kartells sowie der gewachsenen Kundenbeziehungen und -vorlieben war dabei oft allen Beteiligten von vornherein klar, wer den ausgeschrieben Auftrag bekommen sollte.“
Staatsanwaltschaft Bochum befasst sich noch mit dem Schienenkartell
Auch die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei in Bochum befassen sich noch mit dem Schienenkartell. Die Essener Verkehrsbetriebe versorgten die Ermittler bereits mit Unterlagen, wie Evag-Sprecher Hoffmann erklärte.
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Bußgelder und Schadenersatzforderungen drohen Thyssen-Krupp noch in einem weiteren Fall. Das Kartellamt ermittelt gegen den Konzern auch wegen eines Kartellverdachts im Geschäft mit Auto-Stahl. Ende Februar hatte die Behörde Geschäftsräume von Thyssen-Krupp in Duisburg sowie Büros von Voestalpine und weiterer Firmen durchsucht. Der Verdacht: Seit 15 Jahren soll es Preisabsprachen zulasten großer Autohersteller gegeben haben. „Das behördliche Verfahren des Bundeskartellamts dauert an“, teilte Thyssen-Krupp am Dienstag mit. „Derzeit können signifikante Risiken für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns nicht ausgeschlossen werden.“
Hiesinger zieht Bilanz des konzerninternen „Amnestie-Programms“
Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger zog auch eine Bilanz des konzerninternen „Amnestie-Programms“. Die Beschäftigten sollten zur Aufklärung von Korruptions- oder Kartellfällen aus der Vergangenheit beitragen. Wer umfassend aussagte und uneingeschränkt mit dem Unternehmen kooperierte, sollte im Gegenzug die Zusage erhalten, dass Thyssen-Krupp auf Schadenersatzansprüche oder Kündigungen verzichtet. Ausgenommen waren hohe Führungskräfte wie Konzern- und Bereichsvorstände. Das „Amnestie-Programm“ des Unternehmens sollte Täter auch nicht vor einer strafrechtlichen Verfolgung durch die Behörden schützen.
Das Amnestieprogramm habe zu mehr als 20 Hinweisen geführt, teilte Thyssen-Krupp mit. Es seien allerdings keine schwerwiegenden Verstöße festgestellt worden. Es habe auch keine Hinweise auf die laufenden Untersuchungen des Kartellamts zu möglichen Preisabsprachen bei Stahllieferungen für Autohersteller gegeben.
Konzernchef Hiesinger erklärte erneut, Ziel sei es, den „Kulturwandel“ im Konzern voranzutreiben. Es sei selbstverständlich, sich an Recht und Gesetz zu halten. „Wer nicht mitzieht, hat bei uns nichts zu suchen“, betonte Hiesinger.