Berlin. . Die Europäische Zentralbank senkt den Leitzins – auf historisch niedrige 0,5 Prozent. Doch was will die EZB damit bewirken? Was bedeutet die Zinssenkung für die Verbraucher und Sparer? Ist die Zinspolitik überhaupt noch wirksam? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Leitzins.

Das Ersparte wächst wenig, dafür werden Hauskredite nicht teurer. Das sind zwei mögliche Folgen der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB): Sie beschloss am Donnerstag, den Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei der Notenbank leihen können, um 0,25 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent zu senken. Schon heute zahlen die meisten Geldhäuser auf Sparbücher und Tagesgeldkonten weniger Zinsen als das Geld durch die allgemeinen Preissteigerungen an Wert verliert. Freuen dürfen sich dagegen Häuslebauer und Autokäufer, denn auch die Zinsen für Darlehen dürften weiter sinken.

„Der Abstand der Sparzinsen zur Teuerungsrate wird noch größer“, sagt Ansgar Belke, Finanzwissenschaftler an der Uni Essen-Duisburg und EZB-Berater. Er hält die Entscheidung für einen Fehler, sie bedeute „eine Umverteilung von den Sparern in Nordeuropa zu den Sparern im Süden“. Denn die Banken in den Krisenländern zahlen trotz des historisch niedrigen Leitzinses deutlich höhere Zinsen, um die dort misstrauisch gewordenen Kunden zu halten und neue zu locken.

Merkel für einen höheren Leitzins

Hiesige Sparkassen und Versicherer hatten vor einer „Enteignung“ der deutschen Sparer gewarnt. Kanzlerin Angela Merkel erklärte, für Deutschland müsste der Leitzins „eigentlich erhöht werden“. Die EZB senkte ihn dennoch, und ihr Präsident Mario Draghi schloss auch weitere Senkungen nicht aus.

Er hofft, so die Wirtschaft in Südeuropa anzukurbeln. Zum Leitzins können sich Geschäftsbanken Geld von der Zentralbank leihen. Je niedriger er ist, umso günstiger kommen sie an frisches Geld, das sie dann als Kredite an Unternehmen und Bürger weitergeben könnten.

Jedoch hat das bisher nicht funktioniert. Weil in Südeuropa auch Firmen höhere Zinsen für Kredite zahlen müssen als in Nordeuropa, profitieren sie kaum vom Leitzins. „Die Politik des billigen Geldes ändert nichts an den strukturellen Problemen der Krisenstaaten“, sagt Belke. Ähnlich äußerte sich Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon.

Die meisten großen Geschäftsbanken und Sparkassen zahlen derzeit Minizinsen zwischen 0,15 und 0,5 Prozent. Mehr gibt es bei einigen Onlinebanken, oft aber nur für Neukunden und unter bestimmten Voraussetzungen. Bereits jetzt verlieren Guthaben bei einer Teuerung zwischen 1,7 Prozent (Januar) und 1,2 (April) pro Jahr durchschnittlich rund ein Prozent an Wert.

Was bedeutet die Zinssenkung für die deutschen Sparer genau?

Wer Geld beiseite legt oder für die Altersvorsorge spart, spürt die Nachteile. Denn Banken, Fonds und Versicherungen zahlen ebenfalls weniger Zinsen. Die Garantieverzinsung für Kapitallebensversicherungen in Deutschland beträgt beispielsweise zurzeit 1,75 Prozent – knapp mehr als die Inflationsrate. Durch solch mageren Zuwachs nehmen die Vermögen nur langsam zu. Zudem kann auch die Privatrente niedriger ausfallen. Wie stark dieser Effekt sein wird, lässt sich jetzt aber noch nicht sagen.

Leitzins auf Rekordtief
Leitzins auf Rekordtief

Wie sieht es für Verbraucher aus?

Betrachtet man die Bürger als Konsumenten, hat die EZB-Entscheidung Vorteile. Niedrigere Zentralbankzinsen tragen dazu bei, dass die Kredite der Banken nicht teurer werden. Wer ein Auto oder eine Eigentumswohnung finanzieren will, muss theoretisch weniger für das geliehene Geld zahlen als in Hochzinsphasen. Allerdings lassen sich Banken und Sparkassen zumeist mehr Zeit mit einer Senkung der Kreditzinsen als mit einer Senkung der Einlagezinsen.

Wem will die EZB helfen?

Vor allem Griechenland, Portugal und Spanien. Die Arbeitslosigkeit in Südeuropa ist mittlerweile teils höher als 25 Prozent. Das Kalkül der EZB sieht so aus: Die Kreditzinsen sinken leicht, die Industrie leiht sich mehr Geld, investiert und schafft Arbeitsplätze.

Profitieren die Bundesbürger?

Die Deutschen sind nicht nur Sparer und Konsumenten, sondern auch EU-Bürger. In dieser Rolle können sie den EZB-Beschluss begrüßen: Niedrigere Zinsen bewirken vielleicht, dass sich die wirtschaftliche Lage vor allem in Südeuropa bessert. Ganz Europa würde dadurch stabiler. Wer hingegen meint, dass die EZB dem Süden nicht zu sehr helfen sollte, wird die Entscheidung kritisieren.

Ist die Zinspolitik überhaupt noch wirksam?

Wegen der Euro-Krise wirkt die Leitzinspolitik gegenwärtig nicht mehr wie geplant. Die Kreditzinsen in Südeuropa liegen wesentlich über dem Zentralbankzins. Der Grund: Verkauft beispielsweise die spanische Regierung Euro-Staatsanleihen, muss die den Investoren einen Risikoaufschlag zahlen, damit diese die Papiere erwerben. Für spanische oder italienische Firmen ist es deshalb deutlich teurer, Geld zu leihen, als für deutsche Unternehmen. Den Unterschied hofft die EZB nun zu verringern.

Steigt die Inflation nicht, wenn das Geld noch billiger wird?

Wegen der Krise und des schwachen Wachstums herrscht augenblicklich kaum die Gefahr einer schnellen Preissteigerung. Insgesamt beträgt die Inflationsrate in Euroland 1,7 Prozent jährlich, in Deutschland 1,5 Prozent. Gemessen am vergleichsweise hohen deutschen Wirtschaftswachstum (0,5 Prozent 2013, 1,6 Prozent 2014) könnte Deutschland allerdings höhere Zinsen vertragen, um die Inflationsgefahr gänzlich auszuschließen. Denn: Wegen der niedrigen Zinsen unter anderem für Immobilienkredite in Deutschland, steigen die Hauspreise teils stark. Diese importierte Inflation treibt auch die Mieten in die Höhe.