Frankfurt. Europas Währungshüter machen ernst. Weil der Weg aus der Rezession in der Eurozone länger dauert, senkt die Europäische Zentralbank den Leitzins auf einen historischen Tiefstand. Doch die Unternehmen in den Krisenländern müssen für Kredite trotzdem tief in die Tasche greifen.
Im Kampf gegen die Rezession macht die Europäische Zentralbank (EZB) das Geld historisch billig. Der ohnehin extrem niedrige Leitzins sinkt um weitere 0,25 Punkte auf das Rekordtief von 0,5 Prozent. Das beschloss der EZB-Rat am Donnerstag bei seiner auswärtigen Sitzung im slowakischen Bratislava, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte.
Damit kommen Geschäftsbanken im Euroraum so günstig an Zentralbankgeld wie nie seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999. Der Zinssatz für Geld, das Banken über Nacht bei der EZB parken, bleibt unverändert bei null Prozent.
Investition und Konsum sollen Konjunktur ankurbeln
Die Währungshüter hoffen, dass die Finanzbranche das billige Geld in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weiterreichen wird. Durch Investitionen und Konsum, so die Hoffnung, würde die Konjunktur angekurbelt werden.
Das funktioniert bislang nicht in dem erwarteten Maß - obwohl das Zinsniveau im Euroraum bereits seit Juli 2012 extrem niedrig ist und die EZB den Banken zusätzlich mit langlaufenden Krediten zu extrem günstigen Konditionen unter die Arme griff. Kehrseite der Medaille für Verbraucher: Mit niedrigen Notenbankzinsen sind auch extrem niedrige Zinsen zum Beispiel für Sparkonten verbunden.
Vor allem die Wirtschaft in Europas Krisenländern kommt nicht in Schwung. Griechenland, Italien, Portugal, Spanien - sie alle ächzen unter harten Reformen und hoher Arbeitslosigkeit. Ökonomen bezweifeln allerdings, dass noch niedrigere Zinsen die schwächelnde Konjunktur tatsächlich anschieben können.
In den Krisenländern werden niedrige Zinsen nicht an Unternehmen weitergegeben
Denn schon jetzt bleiben die Finanzierungsbedingungen in den Krisenländern schwierig. Dort werden die niedrigen Zinsen nicht an Unternehmen weitergegeben. In Ländern wie Portugal, Spanien oder Griechenland müssten Unternehmen bis zu fünf Prozentpunkte mehr für Kredite bezahlen als in Deutschland, betonte der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR). Ausschlaggebend seien die höheren Risiken, die Banken bei der Kreditvergabe zögern ließen - nicht der Leitzins. "Ein weiterer Zinsschritt dürfte kaum zusätzliche Impulse zur Erleichterung des Kreditzugangs leisten", hatte der Verband vor der EZB-Sitzung prophezeit.
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Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon, hatte im Falle einer weiteren Zinssenkung gar vor neuen Stabilitätsgefahren gewarnt. Es sei zu befürchten, dass schwache Banken die günstigen Zentralbankkredite eher zum Kauf von höherverzinslichen Staatsanleihen von Krisenstaaten nutzen würden - anstatt für Unternehmenskredite. Das erhöhe die gegenseitige Abhängigkeit von schwachen Staaten und schwachen Banken: "Die Politik des billigen Geldes löst die Probleme nicht, sondern schafft neue. Wenn man in die falsche Richtung fährt, nutzt es nichts, das Tempo zu erhöhen", erklärte Fahrenschon.
Im April sank die Inflationsrate auf 1,2 Prozent
Die Entscheidung des EZB-Rats, mit noch billigerem Geld ein Zeichen zu setzen, dürfte durch den nachlassenden Druck an der Preisfront begünstigt worden sein. Denn trotz der weit geöffneten Geldschleusen ist die Inflation in der Eurozone auf dem Rückzug. Im April sank die Inflationsrate auf 1,2 Prozent - und damit klar unter die EZB-Zielmarke von knapp 2,0 Prozent. (dpa)