Neu Delhi. Einer der wichtigsten Rechtsstreits im indischen Patentrecht ist entschieden: Novartis erhält keinen Schutz für sein Krebsmittel Glivec. Hilfsorganisationen begrüßten das Urteil, da günstige Nachahmer-Präparate aus Indien für die ganze Welt wichtig seien.

Der Schweizer Pharmakonzern Novartis hat den Patentstreit um sein Krebsmittel Glivec in Indien endgültig verloren. Das oberste Gericht des Landes entschied am Montag in Neu Delhi, dass Novartis kein Patent für das Blutkrebs-Medikament erhält.

Beobachter sehen in der höchstrichterlichen Entscheidung einen Präzendenzfall, der für andere Patentklagen in Indien wegweisend sein dürfte. Hilfsorganisationen begrüßten das Urteil, da günstige Nachahmer-Präparate aus Indien für die ganze Welt wichtig seien.

Keine "erhöhte therapeutische Wirksamkeit" nachweisbar

Die indischen Behörden hatten bereits 2006 die Patentierung von Glivec auf dem Subkontinent verweigert. Der Hauptwirkstoff sei nicht neu, sondern nur eine leicht veränderte Version eines älteren Wirkstoffs, hatte das Patentamt geltend gemacht. Dem schlossen sich nun die Richter an.

Nach dem indischen Patentrecht von 2005 werden Mittel in Indien nur geschützt, wenn eine «erhöhte therapeutische Wirksamkeit» nachweisbar ist. So soll das «Evergreening» verhindert werden, also die Verlängerung des Patentschutzes mit nur minimalen Veränderungen zum vorher patentierten Wirkstoff.

Serie von Niederlagen

Novartis steht auf dem Standpunkt, dass Glivec sehr wohl ein neues Medikament sei und eine «bahnbrechende Krebsbehandlung» bei Leukämie möglich mache. In fast 40 Ländern habe das Unternehmen dafür auch Patente erhalten. Zwar sei das Molekül vorher schon patentiert gewesen, aber erst nach jahrelanger Forschung habe man es in eine Kristallform gebracht, sodass das Medikament sicher verabreicht werden könne. Das sei ein «Durchbruch», heißt es auf der Website von Novartis. Sieben Jahre lang dauerte der letztendlich erfolglose Rechtsstreit von Novartis durch alle Instanzen.

Das höchstrichterliche Urteil ist der vorläufige Höhepunkt in einer Serie von Niederlagen, die große Markenhersteller in Indien einstecken mussten. Roche und Pfizer wurden im vergangenen Jahr Patente aberkannt und Bayer musste Anfang März eine Zwangslizenz für sein Krebsmittel Nexavar akzeptieren. Novartis erklärte nach dem Richterspruch, das Urteil entmutige die Unternehmen, innovative Medikamente zu entwickeln. Neue Pharmaprodukte zu erforschen sei sehr teuer und riskant und nur möglich, wenn die Mittel dann auch für eine gewisse Zeit patentiert werden könnten.

"Präzedenzfall" für Generika-Hersteller

Indiens Pharmaunternehmen, die sich auf das Kopieren von bestehenden Präparaten spezialisiert haben, begrüßten das Urteil. Sie können damit nach dem Ablauf der meist 20-jährigen Patentfrist die Präparate als Generika herstellen und zu einem Bruchteil des Original-Preises verkaufen. Pratibha Singh, Anwältin des Generikaherstellers Cipla, sprach von einem «Präzedenzfall».

«Das Gericht sagt, dass Patente nur für wirkliche Erfindungen erteilt werden, wiederholtes Patentieren wird nicht erlaubt», meinte Singh weiter. Madineedi Adinarayana, Geschäftsführer in Rechtsangelegenheiten beim Generikaunternehmen Natco, sprach von einem «großen Sieg». «Davon profitieren nicht nur wir, sondern auch alle armen Menschen, die auf billige Medikamente angewiesen sind.»

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen lobte das Urteil ebenfalls, weil die günstigen Generika aus Indien in die ganze Welt exportiert würden. Dabei gehe es nicht nur um Krebsmedikamente, sondern etwa auch um Präparate gegen HIV, sagte Leena Menghaney dem indischen Nachrichtensender NDTV. «Patienten in Indien und diejenigen in den Entwicklungsländern wie Thailand, Brasilien, Afrika südlich der Sahara, sollten alle jubeln.» (dpa)