Washington. Die Gewinnung von Erdgas mit einem Chemie-Cocktail macht Amerika unabhängiger von den Scheichs. Doch auch in den USA regen sich Proteste. Prominente wie Lady Gaga, Yoko Ono und Hugh Jackman stehen an der Spitze der Gegenbewegung: Zu groß seien die Kollateralschäden.
Nächsten Montag wird Yoko Ono 80 Jahre alt. Richtig feiern will die Witwe von „Beatle“ John Lennon erst zum Monatsende, wenn Amerika auf den Gouverneur von New York schaut. Mario Cuomo wird dann bekanntgeben, ob in seinem Bundesstaat „Fracking“ zur Gewinnung von Erdgas aus Schiefergestein erlaubt wird oder nicht. Yoko Ono, die mit anderen Prominenten wie Lady Gaga, Paul McCartney oder Hugh Jackman an der Spitze der Gegenbewegung steht, drängt auf ein Nein.
Zu groß seien die Kollateralschäden, wenn unter hohem Druck ein Wasser-Chemie-Cocktail ins Erdreich gepresst wird, um das flüchtige Gas (und andernorts auch Öl) zu gewinnen. Auf der Internetseite der Aktivisten – NoFracking.com – reichen die Negativ-Beispiele von verschmutztem Grundwasser über unvorhergesehene Brände bis hin zu Migräneanfällen und schlechten Blutwerten bei Anwohnern.
Gas-Lobby protzt mit Erfolgs-Saga
Die Gas-Lobby hält in Zeitungs-Anzeigen und TV-Spots dagegen, bezeichnet die Kritik als „irreführend“ und „völlig überzogen“ und stellt wie die US-Regierung den „einzigartigen Boom“ in den Mittelpunkt: Mittels Fracking steigt Amerika binnen der nächsten 20 Jahre zur führenden Exportnation für Gas und Öl auf, treibt durch billige Energie im Inland die Reindustrialisierung voran, schafft Hunderttausende Arbeitsplätze, repariert die Handelsbilanz und befreit sich aus der „strategischen Gefangenschaft“ der Scheichs im Nahen Osten.
Garniert wird die Erfolgs-Saga mit der Aussicht auf die weitere Abnahme klimaschädlichen Kohlestroms. Allein bis 2017 sollen 175 neue Gaskraftwerke entstehen, für die etwa die Siemens-Tochter im US-Bundesstaat North Carolina die nötigen Turbinen baut. Dazu werde auch der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr weiter abnehmen; bedingt durch fünf Millionen neue Fahrzeuge bis 2020, die mit Gas fahren. Die Eckdaten der „kleinen Revolution“ laut „Wall Street Journal“: Binnen sechs Jahren haben die USA ihre Gasproduktion um 25 Prozent gesteigert. Rohöl ist, ebenfalls oft durch Fracking gewonnen, rund 20 Dollar billiger pro Barrel (159 Liter) als in Europa. Gas kostet sogar dreieinhalb Mal weniger.
Durch die Phalanx der Befürworter brechen zunehmend Skeptiker
Trotzdem brechen durch die Phalanx der Befürworter in den 30 „frackenden“ Bundesstaaten zunehmend Skeptiker. Der Wasser-Chemie-Cocktail enthält rund 700 teils krebserregende Substanzen. Während die staatliche Umweltbehörde EPA dem Verfahren „Verträglichkeit“ attestiert, verweisen Gegner auf Beispiele, wie sie sich in dem kleinen Kaff Dimock in Pennsylvania zugetragen haben. Kaum hatte die Firma Cabot Energy ihre Bohrtürme in Gang gesetzt, kam den Einwohnern ein stinkende, braune Brühe aus der Leitung.
Yoko Ono will das den Catskills ersparen. Die Natur im Norden des Bundesstaates New York, wo viele Reiche und Künstler leben, stellt die Wasserquellen für Manhattan. Sie zu schützen, erfordert „höchste Sicherheitsauflagen“, schreibt die staatliche Umweltaufsicht. Dazu besitzen die einzelnen Staaten, die freie Hand beim Fracking haben, aber nicht die Kapazitäten, sagen die Gegner. Den Betreibern selbst bringen die Umweltschützer wenig Vertrauen entgegen. „In vielen Fällen weigern sich die Unternehmen bis heute, die Liste der Stoffe öffentlich zu machen, die in dem Gemisch enthalten sind, das in die Erde gejagt wird“, so ein Sprecher von NoFracking.com.
US-Energie-Agentur hält prognostizierte Fördermengen für viel zu hoch
Anders als in Deutschland, wo Bodenschätze dem Staat gehören, halten in den USA Landbesitzer die Hand auf, wenn unter ihrer Krume Gas gefunden wird. Geschichten nach dem Strickmuster Vom-armen-Bauern-zum-Gas-Multi-Millionär füllen jede Woche die Zeitungen.
Die US-Energie-Agentur EIA hat die Euphorie über die zuvor auf mindestens 100 Jahre geschätzten Gas-Vorkommen zuletzt drastisch gedämpft. Danach sind die prognostizierten Fördermengen um über 40 Prozent zu hoch angesetzt. Bei der als Goldgrube geltenden „Marcellus“-Formation, die sich unter mehreren Bundesstaaten durchzieht, korrigierten die Geologen frühere Annahmen gar um 70 Prozent. Botschaften, die bereits auf die wirtschaftliche Realität treffen, in der jede einzelne Fracking-Bohrung mit zehn Million Dollar zu Buche schlägt. Chesapeake, ein führendes Unternehmen der Branche, warf kürzlich den Chef raus. Aubry McClendon hatte sich verkalkuliert. Statt Gas kam nur Dreck aus den Bohrlöchern. Yoko Ono war nicht böse darüber.