Düsseldorf. Die lange erfolgsverwöhnte Energiewirtschaft ächzt unter der Energiewende. Auch Eon rechnet wegen der Lasten der Energiewende und der europaweiten Marktschwäche in diesem Jahr mit deutlich weniger Gewinn. Sorge machen Gas und Kohle sowie ein drohender Streik.

Kaum noch Gewinne mit Gas und Kohle, hoher Schuldenstand und jetzt auch noch ein drohender Arbeitskampf. Bei Deutschlands größtem Stromerzeuger Eon ist zu Jahresbeginn eine Menge Aufräumarbeit zu leisten. Dabei hat das Management um den zupackenden Konzernchef Johannes Teyssen begrenzte Möglichkeiten: Es hängt am langen Arm der Politik und muss Rücksicht auf die Tarifpartner nehmen.

Wegen der Marktschwäche in Europa und der "mangelnden Profitabilität des Erzeugungsgeschäfts" reduzierte Teyssen am Mittwoch die Prognose für 2013 deutlich. Aktionäre müssen sich künftig wohl mit weniger Erträgen für ihre Papiere zufriedengeben. Der Schritt war erwartet worden, er zeigt aber die Probleme im einst erfolgsverwöhnten Energiegeschäft.

Sorgenkind sind vor allem die Gaskraftwerke

Hauptsorgenkind sind die Gaskraftwerke - zum Teil mit hohen Investitionen gerade erst gebaute wie der 845-Megawatt-Block im bayerischen Irsching, der 2010 ans Netz ging. Die teuren Anlagen bringen kein Geld mehr in die Kasse, während die Kapitalkosten weiterlaufen, wie Teyssen schon mehrfach öffentlich beklagte. Sie seien derzeit "überwiegend nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben", heißt es in der Erklärung.

Der Grund ist die Energiewende mit dem Einspeisevorrang für erneuerbare Energien und dem subventionierten Wind- und Sonnenstromangebot. Durch den "ungesteuerten Zuwachs Erneuerbarer Energien", wie Eon es nennt, sind die Strompreise an der Börse abgestürzt. Der Konzern prüft deshalb die Schließung weiterer Gaskraftwerke, wie Teyssen schon vergangene Woche angekündigt hatte.

Zahlen

Deutschlands größter Stromversorger Eon rechnet wegen der Lasten der Energiewende und der europaweiten Marktschwäche in diesem Jahr mit deutlich weniger Gewinn. Voraussichtlich werde 2013 ein Konzernüberschuss von 2,2 bis 2,6 Milliarden Euro erreicht nach 4,3 Milliarden Euro im Jahr zuvor, teilte der Konzern am Mittwoch mit. Besonders Gaskraftwerke seien wegen des Zuwachses Erneuerbarer Energien derzeit "überwiegend nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben", hieß es.

Neben weiteren Kostensenkungen und Effizienzverbesserungen überprüfe man auch die Stilllegung von Kraftwerken in Europa. Eon werde Investitionen zurückfahren und sich auf Wachstumsmärkte wie Russland und die Türkei konzentrieren. Außerdem werde weiter in Erneuerbare Energien investiert. Der Konzern betreibt bereits große Windparks in den USA und ist bei mehreren Offshore-Projekten in der Nord- und Ostsee sowie bei Solarkraftwerken engagiert.

Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sinkt von 10,8 Milliarden 2012 auf voraussichtlich 9,2 bis 9,8 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Dividende für 2012 soll wie geplant bei 1,10 Euro liegen (plus 10 Cent). Künftig soll dann kein absolutes Dividendenziel mehr benannt werden, sondern eine Ausschüttungsquote von 50 bis 60 Prozent des Konzernüberschusses. Bei rückläufigem Überschuss verringern sich damit die Erträge der Aktionäre.

Eon baut bis 2015 rund 11 000 Stellen ab, davon 6000 in Deutschland. Dies ist schon länger bekannt, ein Sozialplan wurde bereits vereinbart. Die aktuelle Tarifrunde im deutschen Teil des Konzerns scheiterte dagegen. Eine Urabstimmung läuft bis Freitag. Es droht ein unbefristeter Streik.

Abhilfe könnte nur die Politik schaffen. Doch ein Einfrieren der enorm angestiegenen Ökostromzulage im EEG, wie sie Bundesumweltminister Peter Altmeier (CDU) angekündigt hat, hat angesichts der absoluten Mehrheit von Rot-Grün im Bundesrat kaum Chancen, Gesetz zu werden.

Teyssen kritisiert die Klimapolitik

"Klimapolitisch grotesk" nannte es Teyssen vor kurzem, dass der europaweite Handel mit CO2-Zertifikaten für die Kohleverstromung auf Preise um die fünf Euro pro Tonne gefallen ist, ohne dass die Politik eingreift. Fünf Euro pro Tonne schrecken niemanden mehr ab und Eon schaut mit seinen sauberen aber teuren Gaskraftwerken in die Röhre, während Konkurrent RWE mit lange abgeschriebenen Braunkohlekraftwerken weiter kräftig verdient.

Im Handel mit Gas hat Eon 2012 einen großen Schritt gemacht, als Langzeitlieferant Gazprom nach schweren Verhandlungen Milliardenrabatte zusicherte. Eon spricht von einer "Normalisierung der Ertragslage". Doch nun setzt die "Schiefergasrevolution" in den USA das vermeintlich wieder sichere Gasgeschäft erneut unter Druck: Die USA steigern ihre Gasförderung durch das "Fracking" enorm, der Preis geht - zunächst in den USA - in den Keller, was auf Dauer aber der ganze Markt zu spüren bekommen wird.

Beteiligungen abgegeben, um Schuldenstand zu senken

Für 15 Milliarden Euro hat Eon Beteiligungen und Randaktivitäten abgegeben, um die Schuldenstand zu senken und in Wachstumsmärkte wie Brasilien oder die Türkei zu investieren. Doch erstens sind fremde Märkte immer riskant, wie ein Analyst unter Hinweis auf das Thyssen-Krupp-Desaster in Brasilien anmerkt. Und zweitens ist der Eon-Schuldenstand mit über 35 Milliarden Euro (September 2012) immer noch erdrückend.

Ein unbefristeter Streik, wie er aktuell in der Tarifrunde bei Eon droht, könnte vor diesem Hintergrund besonders schmerzlich werden. Auf zwei bis drei Millionen Euro pro Kraftwerk und Tag schätzt ein Insider die möglichen Kosten für das Unternehmen bei einem Streik. Bei 23 Kraftwerksstandorten könnte sich das theoretisch auf zweistellige Millionenverluste pro Tag addieren. (dpa)