Tokio. Die japanische Zentralbank beugt sich dem Druck der Politik und dreht den Geldhahn weiter auf. Um die lahme Konjunktur Japans wieder in Gang zu bringen, will sie ab nächstem Jahr unbegrenzt Wertpapiere aufkaufen. Kritiker fürchten, dass Japan eine brandgefährliche Staatsschuldenkrise drohen könnte.

Mit einem beispiellosen Gewaltakt will sich Japan aus dem Würgegriff des Preisverfalls befreien. Um die lahme Konjunktur des Landes wieder anzukurbeln, solle das milliardenschwere Programm zum Aufkauf von Wertpapieren ab nächstem Jahr vorerst unbegrenzt gelten, entschied der Rat der Bank of Japan am Dienstag. Zudem beließen die Notenbanker den Zinssatz bei 0 bis 0,1 Prozent und erhöhten – wie von der Regierung verlangt – das Inflationsziel auf zwei Prozent, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Die im Dezember angetretene Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe will die lahme Konjunktur in Japan stärken, indem mehr Geld in Umlauf gebracht wird. Derzeit zeigen sich die japanischen Verbraucher und Unternehmer eher zurückhaltend, da sie die Zukunft als ungewiss beurteilen und sie von Tag zu Tag einen Preisverfall bei Gütern beobachten. Das ist gefährlich, weil sich die Verbraucher in der Hoffnung auf noch günstigere Angebote mit Einkäufen zurückhalten und so eine Abwärtsspirale in Gang kommt. In jüngster Zeit hatte die neue Regierung verstärkt versucht, auf die Geldpolitik der laut Statuten unabhängigen Zentralbank Einfluss zu nehmen.

Japans Regierung und Notenbank wollen Preise stabil machen

Ihre Entscheidungen vom Dienstag veröffentlichte die Zentralbank nun in einer äußerst seltenen Erklärung gemeinsam mit der Regierung. "Die Regierung und die Notenbank sind sich einig, zusammen zu agieren, um der Deflation schnell ein Ende zu setzen und dem Land vor dem Hintergrund einer Preisstabilität ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum zu ermöglichen", hieß es darin. Regierungschef Abe bezeichnete die gemeinsame Erklärung vor Journalisten als "epochal".

Bundesbank-Chef Jens Weidmann hatte sich am Montagabend besorgt über Bedrohung der Unabhängigkeit einiger Zentralbanken gezeigt und dabei explizit auch auf Japan verwiesen. Dort mische sich die Regierung massiv in die Angelegenheiten der Zentralbank ein und fordere sie eindringlich zu einer aggressiveren Geldpolitik auf, kritisierte Weidmann beim Neujahrsempfang der Deutschen Börse.

Deutschland bewertet Japans Fianzpolitik kritisch

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble beobachtet skeptisch, wie Japan versucht, ungeachtet einer Rekordverschuldung von 235 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung mit einer uferlosen Geldschwemme die Krise zu bewältigen. "Mir macht ziemlich viel Sorge, was die neue Politik der neu gewählten japanischen Regierung ist", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble neulich in Berlin. Es gebe ein Übermaß an Liquidität an den globalen Finanzmärkten. Dies werde durch falsches Verständnis von Notenbank-Politik weiter geschürt.

Die Regierung muss jetzt beweisen, dass sie es mit den im Gegenzug versprochenen Strukturreformen erst meint. Doch daran hatte es Abes Liberaldemokraktische Partei schon früher missen lassen. Ohne Deregulierungen zur Steigerung der Profitabilität kann es jedoch kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum geben. "Sollte sich herausstellen, dass die Geldpolitik nur genutzt wird, um die unhaltbar verschuldete Regierung zu finanzieren, droht ein sehr riskanter Inflationsschub", warnt Martin Schulz, Ökonom beim Fujitsu Research Institute in Tokio.

In Japan finanziert die Bevölkerung den größten Teil der Staatsschulden

Bisher wird der größte Teil der Staatsschulden in Form von Anleihen von der eigenen Bevölkerung finanziert. Abgesehen von den Folgen der rapiden Überalterung der Bevölkerung könnte die Krise in Japan zu einem Vertrauensverlust unter den Anlegern führen. Sollten diese ihre Nachfrage nach Staatsanleihen reduzieren, würde ein Anstieg der Zinsen drohen, wodurch der Schuldendienst für die Regierung ähnlich wie in Griechenland praktisch untragbar würde.

Eine solche Situation ist in Japan jedoch bis auf weiteres unwahrscheinlich, da zunächst die Zentralbank – wie sie am Dienstag bereits demonstriert hat – einspringen würde und mehr Staatsanleihen kaufen müsste. Damit käme vor einer denkbaren Finanzkrise zunächst das Gespenst einer zerstörerischen Inflation. Davon ist Japan bei einer gegenwärtigen Deflation von einem Prozent aber heute noch weit entfernt. Das weitere Vorgehen wird entscheidend sein. (afp/dpa/reuters)