Düsseldorf. . Das Tariftreuegesetz tritt im April in Kraft und schreibt soziale Mindeststandards bei der öffentlichen Auftragsvergabe in Nordrhein-Westfalen vor. Kritiker befürchten eine Überfrachtung – und unzumutbaren Mehraufwand gerade für kleine Handwerksbetriebe.

Muss ein Schreiner, der den Innenausbau einer Schule erneuert, in Nordrhein-Westfalen demnächst für die ethisch und ökologisch einwandfreie Herkunft seiner Holzbalken haften? Muss ein Bauunternehmer bald ein „Eltern-Kind-Zimmer“ einrichten, um für die öffentliche Hand Beton anrühren zu dürfen? Der nordrhein-westfälische Handwerkskammertag, Dachorganisation für 1,1 Millionen Beschäftige mit einem Gesamtumsatz von zuletzt 107 Milliarden Euro, ist in großer Sorge wegen des „Tariftreue- und Vergabegesetzes“, das die rot-grüne Landesregierung zum 1. April in Kraft setzen will. Von da an soll die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an soziale Kriterien, ökologische Vorgaben und politische Ziele wie Frauenförderung und Antidiskriminierung geknüpft werden.

Das Gesetz sei „völliger Unsinn“, das die Ausschreibungsunterlagen zusätzlich bürokratisch befrachte, wetterte NRW-Handwerkspräsident Wolfgang Schulhoff. Unproblematisch sei lediglich die geforderte Tariftreue, da es in fast allen Gewerken verbindliche Entlohnungsregeln gebe. Die Zusatzanforderungen hätten es dagegen in sich. Künftig würden sich nur noch große Generalunternehmen um öffentliche Aufträge bemühen, die mit einer eigenen Rechtsabteilung Klagefallen erkennen könnten.

Weder verbindliche Vorgaben noch Zertifikate

Handwerks-Hauptgeschäftsführer Josef Zipfel bemängelte, „mit gewiss honorigen Zielen“ werde das Vergaberecht unnötig belastet. „Wir werden mit der Auftragsvergabe in Langenfeld oder Remscheid nicht die Kinderarbeit in Indien bekämpfen können“, so Zipfel.

Das bereits im vergangenen Jahr vom Landtag verabschiedete Tariftreue- und Vergabegesetz wurde Anfang des Jahres von Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) um eine Rechtsverordnung ergänzt, die mehr Klarheit schaffen sollte. Die Handwerker wissen jedoch immer noch nicht, wie sie die Unbedenklichkeit bestimmter Produkte wie Holz, Natursteine, Sportgeräte und -bekleidung oder Kommunikationstechnologie nachweisen sollen.

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Es gebe weder verbindliche Vorgaben noch anerkannte Zertifikate. Auch die von Rot-Grün gewünschte Frauenförderung im Betrieb, zu der 15 mögliche Maßnahmen von der Bekämpfung „verbaler Gewalt“ bis zur „Analyse der Leistungsvergütung nach Geschlecht“ vorgeschlagen werden, sorgt für Verunsicherung.

Neue Einfallstore für Rechtsstreitigkeiten

Zwar ist aus den Vergabestellen der Kommunen zu hören, dass die neuen Kriterien kaum überprüft werden könnten. Doch darauf mag sich das Handwerk nicht verlassen. Es würden neue Einfallstore für Rechtsstreitigkeiten geschaffen, hieß es.

Handwerkspräsident Schulhoff appellierte an Wirtschaftsminister Duin, er möge sich in der Landesregierung „gegen eine rein ideologische Politik durchsetzen“. Duin kündigte gegenüber unserer Zeitung einen „verständlichen Praxis-Leitfaden“ an: „Anhand von zahlreichen Beispielen aus dem betrieblichen Alltag wollen wir so insbesondere kleine und mittlere Unternehmen unterstützen, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen wollen“, sagte Duin. Grundsätzlich verteidigte er jedoch das Gesetz: „Die Landesregierung will ein vorbildlicher Auftraggeber sein und in der Beschaffung gesellschaftspolitische Verantwortung übernehmen.“