Düsseldorf. Die NRW-Landesregierung fordert klare Regeln, wann ein Arbeitnehmer für seinen Chef erreichbar sein muss. Es sei nicht hinnehmbar, wenn diese ständig real oder auch nur durch die Erwartung, es könne ein wichtiger Anruf kommen, gestört würden, sagte Arbeitsminister Guntram Schneider.
Berufstätige Menschen sollen nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung besser vor Mails und Anrufen im Feierabend geschützt werden. Zusammen mit drei weiteren Bundesländern arbeitet Nordrhein-Westfalen momentan an einem Entwurf für eine bundesweite Verordnung, wie NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) im dapd-Interview ankündigte. Damit sollen Pausenzeiten und die Freizeit wieder stärker der Erholung dienen.
Schon im Sommer hatte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen einen Streit über moderne Arbeitsbedingungen entfacht. Damals forderte die CDU-Politikerin klare Regeln, wann ein Arbeitnehmer für seinen Chef erreichbar sein muss. Die "Flut von hochmodernen Kommunikationsmitteln" schaffe zwar viel Flexibilität, sagte die Ministerin damals. "Aber das kann auch überfordern, indem Menschen die Balance zwischen Erholungszeit und Arbeitszeit nicht mehr finden." Wirklich passiert ist seitdem aber nichts.
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Geht es nach NRW-Arbeitsminister Schneider, ist nun Zeit zu handeln. Es sei nicht hinnehmbar, wenn die Freizeit ständig real oder auch nur durch die Erwartung, es könne ein wichtiger Anruf kommen, gestört werde. "Es nutzt weder den Beschäftigten noch den Betrieben, wenn überforderte Mitarbeiter aus Krankheitsgründen ausfallen", sagte der Sozialdemokrat.
"Hang zur Selbstausbeutung"
Zwar dürfe schon jetzt kein Chef eine Erreichbarkeit "Rund um die Uhr" von seinen Mitarbeitern verlangen, ohne das die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit beachtet werden. "Es gibt aber auch informellen Druck", sagte Schneider. Wenn keine klaren Ziele und Erwartungen formuliert würden, sei der "Hang zur Selbstausbeutung" groß. "Insbesondere da, wo Arbeitskraft leicht ersetzbar ist oder wo viel mit Karriereversprechen gearbeitet wird."
Schon jetzt gibt es zwar im Arbeitsschutzgesetz eine Regelung, wonach der Arbeitgeber seine Mitarbeiter vor psychischen Gesundheitsgefahren schützen muss. In der betrieblichen Wirklichkeit stünden beide Seiten aber vor dem Problem, dass nicht klar sei, was konkret gemacht werden solle. "Die gesetzlichen Anforderungen müssen deshalb konkreter gefasst und mit praxisnahen Handlungsanleitungen unterlegt werden", forderte Schneider.
Zusammen mit Brandenburg, Bremen und Hamburg arbeite NRW momentan an einer bundesrechtlichen Verordnung, die Beschäftigte vor den Gefahren psychischer Belastungen schützen soll. Der Entwurf soll in Kürze vorgelegt werden.
Für den Umgang mit der ständigen Erreichbarkeit gibt es aber auch gute Beispiele. So regeln einige Betriebe laut Schneider, dass 30 Minuten nach Arbeitsende keine Mails mehr auf die Smartphones der Mitarbeiter weitergeleitet werden. Bei anderen Firmen gebe es für eine Rufbereitschaft zum Ausgleich Ruhezeiten oder Zuschläge. Besondere Herausforderungen ergäben sich allerdings bei kleinen Betrieben, die in der Regel nicht über Betriebsräte verfügten. "Deshalb führt an klaren bundesgesetzlichen Regelungen sicher kein Weg vorbei", forderte der Minister. (dapd)