Essen. . Ratingagenturen entscheiden über das Wohl und Wehe von Staaten und Agenturen. Senken sie den Daumen, werden Kredite teurer oder verlieren Staatsanleihen an Wert. Jetzt sollen sie nach Plänen der EU für Fehler haften und Noten vorher ankündigen. Experten sind skeptisch, ob das klappen wird.

Die eigenen Fehler ausgeklammert, haben Europas Politiker ein Trio von Mitschuldigen an der Euro-Krise ausgemacht: die führenden Ratingagenturen Standard & Poor’s, Fitch und Moody’s. Sie geben Staaten und Unternehmen Noten für ihre Kreditwürdigkeit. Geht der Daumen runter, spüren das Staaten wie Unternehmen unmittelbar in Form höherer Zinsen, die für neue Kredite zu zahlen sind. Nun will die EU die Ratingagenturen an die Kandare nehmen. Doch wie straff sind die Zügel wirklich? Das haben wir den Börsenexperten Wolfgang Gehrke gefragt:

Klagen erleichtern

Ratingagenturen sollen künftig haftbar gemacht werden können, wenn sie einen Staat oder ein Un­ternehmen „absichtlich oder fahrlässig“ falsch bewertet haben. Damit sollen auch zivilrechtliche Klagen erleichtert werden. Doch wie weist man ihnen das nach und sind frisierte Noten nicht ohnehin Betrug? Börsenexperte Wolfgang Gehrke sieht „keine gravierende Änderung“, denn „eine absichtliche oder grob fahrlässige Bewertung wäre ja eine Marktmanipulation, die auch nach geltenden Gesetzen strafbar wäre“.

Tatsächlich wurde unlängst S&P in Australien zu einer Millionen-Buße verurteilt. Dort hatten sich 13 Kommunen auf die Bestnote für ein hochspekulatives Finanzprodukt verlassen und Millionen verloren. S&P muss das Geld zurückzahlen, das Gericht sah eine Verharmlosung des Risikos.

Doch die EU ärgert sich eher über zu schlechte Noten für ihre hoch verschuldeten Staaten vor allem in Südeuropa. „Ich weiß nicht, wie man belegen will, dass etwa Griechenland zu schlecht eingestuft wird. Das ist keine Fehleinschätzung, sondern die traurige Wahrheit“, sagt Gehrke.

Benotungskalender

Damit die Märkte nicht mehr so panisch auf Herabstufungen reagieren, sollen die Ratingagenturen künftig in einem Kalender festlegen, wann sie Noten veröffentlichen. Dies muss dann außerhalb der Handelszeiten geschehen.

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Dafür gibt’s einen Daumen hoch, aber den anderen runter vom Börsenexperten. „Die Noten außerhalb der Handelszeiten zu veröffentlich, ist sinnvoll. Damit würde Insiderwissen eingedämmt und der Händler, der die Info zuerst hat, könnte sie nicht sofort ausnutzen.“ Aber: „Ein Kalender wäre eine Verschlechterung. Wenn man weiß, wann eine Note kommt, schafft man so etwas wie einen Hexentag. Dann wird vorher schon auf eine Abwertung spekuliert.“

Mehr Transparenz

Die Agenturen sollen offenlegen, wie sie zu einem Urteil kommen. Bei Ländernoten liegen die Eckdaten freilich offen auf dem Tisch. Bei Firmenbewertungen wünscht sich Gehrke dagegen mehr Offenheit. „Das Problem sind die langen Gespräche der Agenturen mit den Vorständen. Ich als Anleger möchte nicht, dass der Vorstand dort Dinge preisgibt, die er der Öffentlichkeit verschweigt.“ Dies zu ändern, sei wichtig, aber schwierig zu kontrollieren.