Essen. . Die Deutsche Bahn will allein in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2020 rund 10.000 neue Mitarbeiter einstellen. Auch Jugendliche mit schlechter oder gar keiner Schulausbildung sollen im Unternehmen eine Chance bekommen, kündigt der Konzernbevollmächtigte Reiner Latsch im Interview an.
Die Bahn forciert ihre Suche nach neuem Personal – auch an Rhein und Ruhr: „Bis Ende des Jahrzehnts stellen wir allein in Nordrhein-Westfalen rund 10.000 neue Mitarbeiter ein“, kündigte der NRW-Konzernbevollmächtigte Reiner Latsch im Interview an. Schon jetzt arbeiteten bei der Bahn landesweit 31.000 Menschen. Damit sei der Konzern einer der großen Arbeitgeber in der Region. Jedoch habe die Bahn wie viele andere Unternehmen mit dem Problem der Überalterung zu kämpfen. Das Durchschnittsalter der Belegschaft liege bei 46 Jahren.
Blick auf Jugendliche mit schlechtem Schulabschluss
Deshalb gehe der Konzern nach Worten Latschs insbesondere bei der Ausbildung in die Offensive. Im September seien 737 Auszubildende eingestellt worden, das seien 16 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Rund 2100 junge Frauen und Männer würden derzeit bei der Bahn ausgebildet.
Besonderes Augenmerk will die Bahn in den kommenden Jahren auf Jugendliche richten, die ohne oder mit einem schlechten Schulabschluss eine Lehrstelle suchen. Dazu gebe es inzwischen eigene Einsteigerprogramme, die in absehbarer Zeit starten und für die sich noch Bewerber melden könnten, sagte Latsch. Auch mit Unternehmen, die derzeit Personal abbauen – etwa Opel oder RAG – seien Kooperationen angelaufen.
Vor dem nahenden Winter sieht der Konzernbevollmächtigte seine Truppen gut aufgestellt: „Die Fahrzeuge erhalten einen Wintercheck. Die DB hat neue Enteisungsanlagen in den Werken Köln, Düsseldorf, Essen und Dortmund errichtet. Allein dafür haben wir 1,5 Millionen Euro in die Hand genommen“, so Latsch. Zudem könnten mehrere Hundert Räumkräfte eingesetzt werden, und die Bahn habe in Weichenheizungen und Schneeräumtechnik investiert. „Garantien kann es keine geben“, meinte Latsch weiter, „aber wir tun eine Menge, damit unsere Kunden gut mit uns durch den Winter kommen.“
„Wir sind näher am Kunden und profitabel“
Reiner Latsch ist waschechter Eisenbahner – und mehr. Mit 15 Jahren ging der Westerwälder Lokführersohn bei der Bahn in die Lehre, machte das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg und studierte Statistik. Bei der „Westfälischen Rundschau“ schaffte er den zeitweisen Einstieg in den Journalismus. Kurz nach der Bahnreform stellte Latsch die Weichen für eine neuerliche Bahnkarriere – zunächst als Unternehmenssprecher, seit 2004 als Konzernbevollmächtigter in NRW. Ein Gespräch mit dem heute 55-Jährigen über die Bahn – ihr Image, ihre Mitarbeiter, ihre großen Pläne.
Sie sind ja ein altgedienter Bahnmann. Wie hat sich Ihrer eigenen Erfahrung nach das Image des Unternehmens verändert?
Reiner Latsch: Ich bin seit 1995 wieder dabei und habe damit zum zweiten Mal in meinem Leben den Arbeitgeber Bahn gewählt. Bereits Anfang der 70er-Jahre habe ich als Auszubildender die Bahn kennengelernt, nach 20 Jahren bin ich dann gerne zurückgekommen. Im Rückblick sage ich klar: Wir hätten als Bundesbahn so nicht weitermachen können. Kurz vor der Privatisierung war es sogar so, dass nicht einmal die Personalkosten verdient wurden. Inzwischen können wir stolz auf die Bahn sein, auch in NRW. Wir sind näher am Kunden und profitabel – auch wenn wir jeden Tag noch besser werden müssen. Unser Image ist noch nicht da, wo wir hinwollen.
Sie sind in letzter Zeit sehr aktiv bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Wir steht es bei denen um Ihr Image?
Latsch: Wir haben derzeit 2100 Azubis in NRW, das sind 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Und die Zahl der Bewerber war deutlich höher. Auch das ist ein Zeichen für ein gewandeltes Image. Die Bahn ist nach vielen Jahren des Personalabbaus wieder ein wachsendes Unternehmen. Bis Ende des Jahrzehnts stellen wir allein in NRW rund 10 000 neue Mitarbeiter ein. Das hat natürlich auch demografische Gründe. Das Durchschnittsalter der Bahnbelegschaft liegt bei rund 46 Jahren, 42 Prozent unserer Kollegen sind über 50. Darauf müssen wir reagieren, egal übrigens, ob wir jetzt über Mechatroniker reden oder über Köche und Geologen, die man bei der Bahn ja zunächst nicht vermutet.
Vorbereitung auf eine Ausbildung bei der Bahn
Was tun Sie im Auszubildendenbereich, um junge Leute für die Bahn zu interessieren?
Latsch: Jede Menge. Wir fördern zum Beispiel junge Leute ohne Schulabschluss. Dazu legen wir in NRW 2013 ein neues Programm auf, das heißt „Einsteigen“ und richtet sich an Schüler ohne Abschluss. Auch Schüler mit schlechten Abschlüssen werden gefördert. Ab November bieten wir hier im Land wieder rund 70 Plätze im Rahmen unseres Programms „Chance Plus“. Elf Monate lang werden dann die jungen Leute auf eine Ausbildung oder den direkten Jobeinstieg bei der DB vorbereitet. Interessenten können sich übrigens ab sofort bei uns melden (E-Mail: chanceplus@deutschebahn.com, Tel: 0201-182 20 09). Wir gehen aber auch ungewöhnliche Wege, beispielsweise können mehrmals im Jahr Schüler und Studenten per Speed Dating im Sieben-Minuten-Takt Personalverantwortliche der Bahn kennenlernen.
Im 15-Minuten-Takt soll der Rhein-Ruhr-Express rollen. Hand aufs Herz: Werden Sie das noch als aktiver Eisenbahner erleben?
Latsch: Die Finanzierung der Planung bis zur Baureife ist sichergestellt, die ersten Planfeststellungsverfahren sind eingeleitet. Der gültige Investitionsrahmenplan der Bundesregierung sieht zudem bereits dreistellige Millionenbeträge für den Bau vor. Aber schon heute gibt es aus meiner Sicht keine bessere Möglichkeit, um beispielsweise von Düsseldorf nach Essen zu kommen, als mit dem Zug.
„Wir haben aus Stuttgart 21 gelernt“
Und wie steht es Ihrer Einschätzung nach um die Betuwe-Linie?
Latsch: Den Ausbau wollen alle Beteiligten – Bund, Land und Bahn. Bis Anfang nächsten Jahres werden wir die zwölf Planfeststellungsverfahren komplett eingeleitet haben. Deren Ende liegt nicht in unserer Hand. Wir haben aber – das noch einmal zum Thema Image – aus Stuttgart 21 gelernt. Wir gehen vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens auf die Bürger zu, stellen uns der Diskussion, machen deutlich, was wir wollen und arbeiten nicht mehr lediglich die formalen gesetzlichen Vorgaben ab.
Machen Ihnen die private Konkurrenz im Fernverkehr wie der HKX, der Köln und Hamburg verbindet, und der kommende private Fernbusverkehr Sorgen?
Latsch: Wettbewerb ist okay, wir haben ohnehin mehr als 300 Bahnunternehmen bundesweit. Wir nehmen jeden Wettbewerber ernst. Unsere Hamburg-Linie ist gut ausgelastet. Sie wird zum Fahrplanwechsel am 9. Dezember auch unsere erste IC-Linie sein, auf der fast nur noch modernisierte Wagen fahren . Diese sind dann übrigens gar nicht mehr so plüschig wie früher.