Berlin. . Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein appelliert an die Politik, die gesetzliche Grundlage für eine bessere Verteilung der Arzt-Honore zu schaffen. Peter Potthoff fürchtet eine Benachteiligung der Ärzte im Bezirk Nordrhein, auch wenn es zu einer Einigung um höhere Löhne komme.

Im Honorarstreit mit den Krankenkassen fordern die niedergelassen Ärzte und Psychotherapeuten elf Prozent mehr Lohn. Die ursprünglich vorgesehenen 0,9 Prozent hält Peter Potthoff, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Nordrhein, für einen „Affront“. Nun bieten die Krankenkassen offenbar drei Prozent mehr Lohn. So weit, so gut. Doch Potthoff befürchtet, dass die Zuwächse ungleich verteilt und die Ärzte aus seiner Region wieder benachteiligt werden. Aus seiner Sicht sollte der Gesetzgeber auf Dauer für eine gerechte Vergabe sorgen.

Ein niedergelassener Arzt verdient im Schnitt 5442 Euro netto im Monat. Dennoch fordern die Ärzte elf Prozent mehr Honorar, also 3,5 Milliarden Euro zusätzlich. Ist das nicht gierig?

Peter Potthoff: Nein. Der Orientierungswert, der maßgeblich den Preis für eine Untersuchung bestimmt, wurde seit 2008 nicht erhöht. Unsere Forderungen beziehen sich auf den Zeitraum ab 2008. Heruntergerechnet kommt man auf eine jährliche Erhöhung von 2,2 Prozent. Wenn ich sehe, dass manche Branchen pro Jahr jetzt 3,5 Prozent mehr Lohn wollen und diesen auch bekommen, dann finde ich unsere Forderung nicht gierig. Zumal wir ja junge Ärzte in die ambulante Versorgung holen wollen und dabei mit Krankenhäusern und der Industrie konkurrieren.

Dennoch: Die Ärztehonorare sind zwischen 2007 und 2012 von 27,7 auf 32,4 Milliarden Euro gestiegen. Warum reicht das nicht aus?

Potthoff: Weil die Kosten eben noch stärker gestiegen sind. Außerdem ist das Honorarplus ungleich verteilt. Bei den Ärzten in der KV Nordrhein ist vergleichsweise wenig Geld angekommen. Während die Krankenkassen in Berlin für einen Versicherten 386 Euro pro Jahr für die ambulante medizinische Versorgung zur Verfügung stellen, sind es in Nordrhein nur 330 Euro.

Sieht die Politik in der Pflicht, eine bessere gesetzliche Regelung für die Verteilung der Arzt-Honorare zu schaffen: KV-Vorsitzender Peter Potthoff.
Sieht die Politik in der Pflicht, eine bessere gesetzliche Regelung für die Verteilung der Arzt-Honorare zu schaffen: KV-Vorsitzender Peter Potthoff. © Fremdbild

Es gibt große Gehaltsunterschiede innerhalb der Ärzteschaft und zwischen den Regionen. Warum gelingt der Selbstverwaltung keine gerechtere Verteilung?

Potthoff: Weil diejenigen, die höhere Honorare haben, sie behalten wollen. Jetzt beginnt wieder die Diskussion, wonach eigentlich genug Geld im System ist und dies nur richtig verteilt werden muss. Das ist aber in der Selbstverwaltung nicht möglich. NRW hat etwa 25 Prozent der Bevölkerung und Wirtschaftskraft und stellt so 25 Prozent am Haushalt der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Aber wenn es um die Honorarverteilung geht, hat jede KV eine Stimme. Egal, ob sie groß oder klein ist. Die KV Nordrhein hat also nicht genug Stimmen, um Änderungen für eine gerechtere Verteilung durchzusetzen. Das heißt, es wird nach wie vor in anderen Regionen mehr Honorar ausgeschüttet als in der KV Nordrhein.

Was haben Sie von einem höheren Honorar, wenn es die Kassen nach dem Gießkannenprinzip ausschütten und wenn am Ende nur wenig bei den nordrheinischen Ärzten landet?

Potthoff: Dann kommt immerhin etwas an. Das ist besser als nichts. Wir sind leider nicht in der Lage, über die Selbstverwaltung das Geld anders zu verteilen. Wir haben für eine asymmetrische Verteilung von Honorarzuwächsen gekämpft. Das war im KV-System nicht etablierbar.

Aber es ist doch auch keine Lösung, einfach mehr Geld von den Versicherten mit der Gießkanne ins System zu pumpen!

Potthoff: Auf Dauer muss die Lösung sein, dass ein Arzt für einen gesetzlich Versicherten gleichviel bekommt, egal in welchem Bundesland er arbeitet.

"Bei vielen Hals-Nasen-Ohrenärzte bleibt unterm Strich nicht viel übrig" 

Aber wie kann man das erreichen? Die Selbstverwaltung schafft es ja nicht.

Potthoff: Das geht nur über den Gesetzgeber. Er muss tätig werden und Vorgaben machen. Aber da tun sich die Parteien schwer, weil sie auch regionale Interessen verfolgen.

Nach dem ursprünglichen Schlichterspruch sollten die Ärzte 0,9 Prozent mehr Honorar erhalten. Was würde dies für die niedergelassenen Ärzte in Bereich der KV Nordrhein bedeuten?

Potthoff: Die 0,9 Prozent sind ein Affront. Demnach würde ein Arzt rund 150 Euro im Monat mehr bekommen. Wenn das Geld wieder ungleich verteilt wird, käme bei den Medizinern in unser Region noch weniger an. Von zu wenig würden wir also noch weniger bekom-men als Ärzte in anderen Regionen.

Befürchten sie Praxisschließungen, wenn es nicht zu einem höheren Honorarplus kommt?

Potthoff: Das schließe ich nicht aus. Ein Beispiel: In unserer Region gibt es zahlreiche Hals-Nasen-Ohrenärzte, die pro Jahr gerade 120000 Euro Umsatz machen. Das muss für alle Ausgaben reichen: Mieten, Praxisausstattung, Personal, Steuern. Da bleibt unter dem Strich nicht mehr viel übrig.

Am 4. Oktober wollen der GKV-Spitzenverband und die Ärzteschaft erneut verhandeln. Die Ärzte sollen nun 900 Millionen Euro zusätzlich bekommen, also drei Prozent mehr. Wäre dies aus Ihrer Sicht ein tragfähiger Kompromiss?

Potthoff: Diese Zahl kommentiere ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Sie ist mir nicht aus einer offiziellen Quelle bekannt. Aber um es deutlich zu sagen: Ein tragfähiger Kompromiss liegt für mich sehr deutlich über den zunächst vereinbarten 0,9 Prozent. Und da Sie die Gier der Ärzte ansprachen: Die Krankenkassen wollten die Honorare um 2,2 Milliarden Euro kürzen. Wenn man so einen Aufschlag macht, ist der Return entsprechend.

Moment. Zunächst wollten die Ärzte elf Prozent mehr. Das mussten die Kassen doch als Kriegserklärung auffassen und haben dann reagiert. War es denn klug, gleich elf Prozent zu fordern?

Potthoff: Man kann darüber nachdenken, ob das klug war. Aber die Forderung ist berechtigt.