Athen. . In der Schuldenkrise braucht Griechenland jeden Euro. Steuerfahnder haben aktuell mehr als 1700 Personen im Visier, die in letzter Zeit horrende Summen ins Ausland transferiert haben. Diese Ermittlungen dürften einige in Erklärungsnot bringen: Ärzte, Anwälte, aber auch Bauunternehmer, Landwirte und Astrologen.

Wie kommt ein griechischer Landwirt, der im vergangenen Jahrzehnt dem Finanzamt Jahreseinkommen von rund 11.000 Euro meldete, zu einem ausländischen Bankguthaben von über zehn Millionen Euro? Wie erklärt ein Nachtclubbesitzer, der laut Steuererklärung 2500 Euro im Monat verdient, dass er sieben Millionen Euro in die Schweiz überwiesen hat? Solche Rätsel versuchen jetzt die Beamten der griechischen Behörde für die Verfolgung von Finanzverbrechen (SDOE) zu lösen.

Die Steuerfahnder überprüfen nun 1727 Personen, die in den vergangenen Monaten Beträge von 300.000 Euro und mehr ins Ausland überwiesen haben. Wegen der wachsenden Angst vor einem drohenden Staatsbankrott und der Rückkehr zur Drachme sind seit Beginn der Finanzkrise Milliarden aus Griechenland ins Ausland geflossen, vor allem nach England, aber auch nach Deutschland und in die Schweiz.

Bürger in Erklärungsnot

Abzulesen ist die Kapitalflucht unter anderem an der Entwicklung der Einlagen bei den griechischen Banken. Allein im ersten Halbjahr 2012 zogen die Griechen 15 Milliarden Euro von den heimischen Banken ab. Ein beträchtlicher Teil davon floss ins Ausland. Solche Geldtransfers sind zwar per se nicht illegal. Aber die Fahnder interessieren sich für die Herkunft der Gelder und dafür, ob sie in der Vergangenheit ordnungsgemäß versteuert wurden.

Diese Ermittlungen dürften einige in Erklärungsnot bringen. Unter den Betroffenen sind Ärzte und Anwälte, aber auch Friseure und Installateure sowie drei Astrologen. Beispiel: Der bekannte Schönheitschirurg D., der ein Jahreseinkommen von 75.000 Euro meldete, aber vier Millionen ins Ausland überwies. Oder der Unternehmer B.G., dessen Firma angeblich gerade mal eine „schwarze Null“ schrieb, der aber bei zwei Zürcher Banken zehn Millionen Euro gebunkert hat.

11,2 Milliarden Euro fehlen

Einen Besuch der Steuerfahndung müssen auch drei Sterndeuter erwarten, die dem Fiskus Jahreseinkommen zwischen 20.000 und 30.000 Euro meldeten, aber zwischen 500.000 und 800.000 Euro ins Ausland transferierten.

Auf der Liste stehen unter anderem rund 350 Anwälte, 300 Ärzte, 500 Architekten und Bauunternehmer sowie 150 Besitzer von Bars, Nachtclubs und Restaurants. Die seit Ende Juni amtierende Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras will verstärkt gegen Steuersünder vorgehen, denn die Steuerhinterziehung ist eine der Ursachen der griechischen Schuldenkrise.

Nach einer kürzlich publizierten Studie der Universität von Chicago verschleiern die griechischen Ärzte, Rechtsanwälte und selbstständigen Ingenieure im Durchschnitt fast die Hälfte ihrer tatsächlichen Einkommen. Sie betrügen damit den griechischen Staat um Steuereinnahmen von 11,2 Milliarden Euro im Jahr. Die Summe entspricht ziemlich genau dem Volumen des neuen Sparpakets, das die Regierung jetzt für die Jahre 2013 und 2014 schnüren muss.