Brüssel. Die Menschen in Zypern leiden unter der Verbandelung ihrer Banken mit Griechenland. Dabei ist ihnen wichtig, nicht mit den Griechen in einen Topf geworfen zu werden: „Wir zahlen Steuern. Und wir arbeiten hart. Und wir betrügen unsere Regierung nicht.“

Maria-Christina Tchopourian (40) ist Angestellte beim Arbeitsamt in der zypriotischen Hauptstadt Nikosia. Sie weiß, was die Flaute mit den Menschen macht: „Es ist definitiv schwieriger geworden, einen Job zu finden“, sagt die Arbeitsvermittlerin. „Die Zahl der offenen Stellen ist voriges Jahr um 20 Prozent gesunken. Für dieses Jahr gibt es keine Anzeichen einer Besserung.“ Die Arbeitslosigkeit steigt laut Prognose in diesem Jahr von 7,8 auf 9,8 Prozent.

Vor allem für junge Menschen gebe es wenig Arbeit, sagt Tchopourian, doch auch für Ingenieure, Wirtschaftsfachleute oder Architekten sei es mittlerweile schwierig. „Das war vor ein paar Jahren noch ganz anders.“ Heute sei ihr Arbeitsalltag „emotionaler“ als früher. Arbeitslose weinten in ihrem Büro, andere seien verärgert. Sie denken, erzählt Tchopourian, dass Zypern seinen Arbeitsmarkt nicht gleich ganz hätte öffnen sollen, als sich der Kreis der EU-Mitgliedsländer 2007 vergrößerte. Seither seien vor allem Bulgarien und Rumänen zum Arbeiten nach Zypern gekommen.

"Jeder hat ein Gefühl der Unsicherheit"

Die Arbeitsvermittlerin merkt auch in ihrem Privatleben, dass Zypern schwächelt. „Unsere Gehälter wurden dieses Jahr um zehn Prozent gekürzt – zugleich stieg die Mehrwertsteuer. Ich muss meine persönlichen Ausgaben einschränken“, sagt sie. „Jeder hat ein Gefühl der Unsicherheit. Niemand weiß, was die nächsten Monate bringen.“

Sie selbst versucht, optimistisch zu sein. Sie hofft, dass die Europäer Zypern im Gegenzug für Notkredite „korrigierende Reformen“ auferlegen, aber keinen allzu harten Sparkurs. „Ich weiß nicht, ob Lohnkürzungen nützen, dann haben die Menschen ja weniger Geld zum Ausgeben.“ Besser und fairer fände sie es, wenn im öffentlichen Dienst weniger Menschen als bisher befördert würden.

„Wir zahlen Steuern. Und wir betrügen unsere Regierung nicht“ 

In der Republik Zypern leben 840 000 Menschen, die Wirtschaftsleistung ist verglichen mit anderen Euro-Staaten klein. Ein einzelnes Unglück reichte deshalb aus, um der Wirtschaft enormen Schaden zuzufügen. Es geschah vor einem Jahr. Im Juli 2011 explodierte ein Munitionslager in einem Marinestützpunkt. Dabei wurde das größte Kraftwerk Zyperns zerstört. Stromausfälle und -engpässe belasteten die Unternehmen. Zudem darbt die Bankenbranche. Zyperns Geldinstitute haben dem pleitebedrohten Griechenland viel Geld geborgt. Daher traf sie der drastische Schuldenerlass für Griechenland hart. Um seine Banken zu retten, ist Zypern unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft.

Deshalb genießen die gebeutelten Griechen auch in Zypern keinen guten Ruf. „Bitte denken Sie nicht, dass wir Zyprer wie die Griechen sind“, sagt etwa Frixos Savvides (60), und fügt hinzu: „Wir zahlen Steuern. Und wir arbeiten hart. Und wir betrügen unsere Regierung nicht.“

Savvides war Gesundheitsminister und ist heute Unternehmer. Als solcher ist er mit der aktuellen, sozialistisch geführten Regierung unzufrieden, sie hätte ihre Ausgaben besser kontrollieren müssen, sagt er. Trotzdem kann er dem Hilfegesuch der Regierung auch Positives abgewinnen: „Das ist eine gute Chance für uns, wirtschaftliche Schwächen zu beseitigen“, sagt er. „Europa wird dafür sorgen, dass wir uns an Regeln halten.“ Zyperns Wirtschaft habe einen Vorteil: „Sie ist sehr klein und daher gut handhabbar.“

„Zypern hat nicht die gleichen Probleme wie Griechenland“ 

Georgios Tsiakalos (66) ist Grieche und lebt seit vier Jahren in Zypern. Den vielleicht entscheidenden Unterschied bei der Steuermoral kann er nur bestätigen. Der Pädagogikprofessor betont deshalb ebenfalls: „Zypern hat nicht die gleichen Probleme wie Griechenland.“

Tsiakalos hilft Zypern, sein Bildungssystem zu reformieren. Der Staat investiere zwar viel in die Bildung, und auch die Bürger steckten relativ viel von ihrem Geld in die Ausbildung ihrer Kinder. Trotzdem hapere es im EU-Vergleich aufgrund veralteter Lehrmethoden beim Lesen und Rechnen.

Der griechische Professor kennt die Lage in beiden Krisenländern. Die Folgen seien in Zypern allerdings nicht so ausgeprägt wie in seiner Heimat. „Wenn man in Griechenland einen Tag mit den Leuten diskutiert, fragt man sich, ob sich das Leben noch lohnt“, sagt er. „In Zypern ist das nicht so, auch wenn viele genau verfolgen, was in Griechenland passiert.“ Bis vor einigen Monaten seien sogar noch Lebensmittelpakete von Zypern nach Griechenland geschickt worden. Jetzt haben die Zyprer genug mit sich selbst zu tun.