Essen. . Das Bundeskartellamt verhängt hohe Geldbußen gegen Mitglieder eines Schienenkartells. Allein Thyssen-Krupp muss 103 Millionen Euro zahlen. Das Kartell der Stahlkonzerne hatte sich bei den Preisen für Schienenlieferungen an die Deutsche Bahn abgesprochen.

Im Verfahren gegen ein Schienenkartell europäischer Stahlkonzerne hat das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von insgesamt 124,5 Millionen Euro verhängt. Die höchste Strafe trifft den Essener Stahlkonzern Thyssen-Krupp für seine Beteiligung an den illegalen Preisabsprachen. Das Unternehmen allein soll 103 Millionen Euro zahlen, wie das Kartellamt mitteilte. Thyssen-Krupp erklärte, die Strafe anzunehmen. Die hohe Strafzahlung sei auf die hohen Konzernumsätze zurückzuführen, die bei der Berechnung der Strafen als Basis dienten. Wegen der guten Zusammenarbeit mit dem Kartellamt sei die Strafe sogar noch reduziert worden.

Das Kartell der so genannten „Schienenfreunde“ war von der WAZ Mediengruppe aufgedeckt worden und jahrelang aktiv. Es erstreckte sich vor allem auf Schienenlieferungen an die Deutsche Bahn. Dazu gab es Preisabsprachen für die Belieferung von Privatbahnen oder für die Lieferung von Bahntechniken, wie beispielsweise Weichen. Die Kartellmitglieder trafen sich über Jahre unter verschwörerischen Umständen. So verhandelten sie im Hinterzimmer des damaligen Mafia-Lokals Da Bruno in Duisburg bei getrockneten Tomaten und eingemachten Auberginen über ihre Quoten. Um ihre Identitäten zu verschleiern, gaben sich Mitglieder des Kartells untereinander Tarnnamen, etwa „Hannibal Lecter“, „das Brüderchen“ und „die Domina“.

Voestalpine blieb fast straffrei

Nach Angaben des Kartellamtes flog das Kartell durch eine Selbstanzeige des österreichischen Konzerns Voestalpine auf, der einer der größten Nutznießer der Preisabsprachen war. Nach Recherchen der WAZ Mediengruppe wurden die in Deutschland mit der Deutschen Bahn festgelegten Preise vom Kartell auf die Schienenlieferungen an die österreichischen und Schweizer Bahnen weitgehend übertragen. Dadurch, dass das deutsche Kartellamt Voestalpine durch die Selbstanzeige als Kronzeuge anerkannte, gingen die Österreicher weitgehend straffrei aus – obwohl sie zeitweise mehr als die Hälfte der Stahllieferungen an die Bahn im Griff hatten und dadurch den größten Profit durch überzogene Preisforderungen einstreichen konnten.

Bahn-Vorstand Gerd Becht kündigte an, von den Kartellmitgliedern „den vollständigen Ausgleich des Schadens“ einzufordern, „notfalls auch vor Gericht“. Nach WAZ-Informationen liegt der Schaden der Bahn bei bis zu 800 Millionen Euro. Die nun bestraften Absprachen betrafen die Märkte für Normal-Schienen, kopfgehärtete Schienen und Weichenzungen. Ein Mitglied des Kartells hatte berichtet, wie die Preisabsprachen liefen. Nach Treffen mit der Bahn, bei denen die zukünftigen Aufträge besprochen worden seien, hätten sich die Mitglieder des Kartells direkt zusammengesetzt, „um Liefervorgehen abzusprechen“, sagte das Kartellmitglied. „Unser Ziel war es immer, die Preise nach oben zu treiben.“ Am Schluss zahlte die Bahn über 1000 Euro je Tonne Schiene. Zum Vergleich: Nach Zusammenbruch des Kartells im Jahr 2008 fielen die Schienenpreise um gut 35 Prozent.

Bußgeldbescheide ergingen nun gegen vier Unternehmen: die Thyssen-Krupp-Tochter GfT Gleistechnik (103 Millionen Euro), die seit 2010 zum Vossloh Konzern gehörende Stahlberg Roensch GmbH (13 Millionen), die Duisburger ­Voestalpine-Tochter TSTG Schienen Technik (4,5 Millionen) und die Weichentochter der Voestalpine, BWG Butzbach (4 Millionen). Das Kartellamt teilte mit, in einzelnen Feldern habe es auch nach dem Zusammenbruch des Kartells 2008 weitere Preisabsprachen gegeben. In einem Fall sogar bis 2011.

Weitere Ermittlungen

Zudem informierte das Amt, dass in weiteren Bahn-Märkten ermittelt werde. Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, sagte: „Mit den aktuellen Bußgeldbescheiden ist lediglich ein erster Teil des Verfahrens abgeschlossen.“ Das Kartellamt werde den Schwerpunkt auf andere Bereiche verlagern. „Dazu gehören unter anderem Schienen und Weichen für regionale und lokale Nachfrager“.

Thyssen-Krupp hat für absehbare Bußgelder bereits 30 Millionen Euro zurückgestellt, heißt es. Das Unternehmen kooperiere weiter mit den Behörden.