Dortmund. Die regionalen Airports in Nordrhein-Westfalen sind finanziell nicht auf Rosen gebettet. Jetzt werden sie von gleich zwei Seiten in die Zange genommen. In Hessen und Holland könnten Konkurrenten entstehen.
Die Regionalflughäfen in Nordrhein-Westfalen geraten unter Druck. Finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet, droht Ungemach aus der Nachbarschaft. Die Pläne zum Bau neuer Airports in Hessen, aber auch in den nahe gelegenen Niederlanden, beunruhigen die Verantwortlichen.
Im April 2013 soll er fertig sein, der neue Flughafen in Kassel-Calden. Baukosten: 271 Millionen Euro. Die hessische Landesregierung hofft auf jene Effekte, die beim Betrieb regionaler Flughäfen gern ins Feld geführt werden: eine verbesserte Infrastruktur und neue Arbeitsplätze. „Regionalwirtschaftlich wird sich das rechnen“, sagte Geschäftsführer Jörg Ries vor wenigen Tagen.
Regionalflughäfen in Nordrhein-Westfalen unter Druck
Für das jahr 2020 weisen die Vorhersagen eine Passagierzahl von 640.000 aus. Ries erwartet, dass sich Kassel-Calden durch seine „übersichtliche Infrastruktur, die kurzen Wege und die großräumige Verkehrsanbindung“ von den Wettbewerbern abhebe. Unterm Strich würde dies bedeuten: Kassel-Calden gewinnt, andere Regionalflughäfen wie Paderbordn/Lippstadt, Dortmund, Münster/Osnabrück oder Weeze verlieren.
Dass dies tatsächlich droht, darauf verweisen die Verantwortlichen der Konkurrenz. Am Ende könnte es aber auch ganz anders kommen: dass es gar keine Gewinner gibt. In Dortmund jedenfalls, aber auch in Paderborn/Lippstadt, sehen die Manager keinen Bedarf für einen neuen Airport in Calden. Schon heute gebe es zu viele Flughäfen – bei sinkender Nachfrage.
Kampf gegen rote Zahlen
Von einem Überangebot spricht der Marketingleiter am Dortmunder Flughafen, Guido Miletic. In Dortmund (1,8 Millionen Passagiere) machten sie im Jahr 2011 knapp 20 Millionen Euro Verluste, die Aussichten fürs laufende Jahr sind nicht viel besser. Und auch Lippstadt/Paderborn (etwa eine Million Passagiere) kämpfte zuletzt gegen rote Zahlen. Von 2009 bis 2011 schrieb der dortige Airport 2,5 Millionen Euro Miese. Dass in Hessen neue Konkurrenz entstehen soll, nennen sie am Flughafen Paderborn/Lippstadt „eine Verschwendung von Steuergeldern“.
Flughafen Dortmund
Auch der Bund der Steuerzahler geht mit den Plänen hart ins Gericht. Die Stadt Kassel, der Landkreis Kassel wie auch die Gemeinde Calden müssten unkalkulierbare finanzielle Risiken tragen. „Es gibt sinnvollere Projekte als einen toten Flughafen zu bauen“, sagt der Vorsitzende des Hessischen Steuerzahler-Bundes, Ulrich Fried. Die Hoffnung darauf, dass die Hessen doch noch beidrehen und die Flughafen-Pläne vom Tisch nehmen, schwindet. Es gibt zwar Kritik, aber keine belastbaren Hinweise auf ein Umdenken.
Niederländische Flughafenpläne beunruhigen NRW
Damit nicht genug, träumt auch die Politik im niederländischen Enschede von einem Regional-Airport. Das Projekt soll bis 2014 auf einem ehemaligen Militärflughafen Wirklichkeit werden. Es soll, siehe Kassel-Calden, Tausende neue Arbeitsplätze schaffen. Bis zum Jahr 2030 wollen die Niederländer in Twente jährlich 1,2 Millionen Passagiere abfertigen. Die Verantwortlichen rechnen mit einem Einzugsgebiet von fünf Millionen Menschen. Viele davon wohnen in Nordrhein-Westfalen. Noch ist nichts entschieden. Bisher liegen die Pläne für den Flughafen in Enschede nur in der Schublade. Es fehlt der Investor.
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Am Ende aber scheinen Politiker und Flughafen-Manager den Niederländern einiges zuzutrauen. Schließlich investieren die Nachbarn aktuell Milliarden Euro in ihre Verkehrsinfrastruktur, in Straßen, Schienen und Häfen. Der Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe, macht sich jedenfalls so seine Sorgen. In den Westfälischen Nachrichten ließ er sich so zitieren: Die Konkurrenz zum Flughafen Münster/Osnabrück sei völlig unnötig. Zumal der Wettbewerb der NRW-Regionalflughäfen schon heute groß sei.
Der Flughafen Münster/Osnabrück hat eigenen Angaben zufolge zuletzt schwarze Zahlen geschrieben. Ein Airport in den benachbarten Niederlanden könnte die Wirtschaftlichkeit gefährden. Weil es dort keine Luftverkehrssteuer gibt, die die Ticketpreise in Deutschland seit dem vergangenen Jahr verteuern, ist die Situation besonders brisant.
Die größte deutsche Fluggesellschaft, die Lufthansa, kann den Flughafen-Managern in NRW die Sorgen nicht nehmen. Ihr Sprecher Peter Schneckenleitner mahnt: Ein Airport in Enschede könnte „das innerdeutsche Problem mit den Regionalflughäfen weiter verschärfen“.