Düsseldorf. . Düsseldorfs IHK-Präsident Lehner sagt: „Es ist zu wenig, wenn eine Landesregierung nur zuschaut.“ Als Beispiele nennt er den umstrittenen Eon-Kraftwerksbau in Datteln und die Bayer-Pipeline am Niederrhein. Lehner meint: „Klare politische Bekenntnisse wären hilfreich.“
Was er vom NRW-Koalitionsvertrag hält und welche Erwartungen er an die Wirtschaftspolitik von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat, sagt Ulrich Lehner, der Präsident der Düsseldorfer Industrie- und Handelskammer (IHK), im Gespräch mit der WAZ-Gruppe.
Lehner, der frühere Chef des Henkel-Konzerns („Persil“, „Pritt“, „Pattex“), gehört zu den wichtigsten Aufsichtsräten Deutschlands. Er ist Vorsitzender des Kontrollgremiums der Telekom und Aufsichtsratsmitglied bei Eon, Thyssen-Krupp und Porsche. Der gebürtige Düsseldorfer ist außerdem Honorarprofessor der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Als IHK-Präsident vertritt Lehner die Interessen von rund 80.000 Unternehmen in Düsseldorf und im Kreis Mettmann.
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) will die Energiewende zur „Chefinsache“ machen. Mit Garrelt Duin übernimmt ein profilierter Wirtschaftspolitiker ein Ministeramt. Im rot-grünen Koalitionsvertrag spielt die Industrie eine wichtige Rolle. Das dürfte Ihnen gefallen - oder?
Ulrich Lehner: Ich hatte beim Lesen des Koalitionsvertrags gemischte Gefühle. Das Bekenntnis von SPD und Grünen zum Industriestandort NRW ist sehr zu begrüßen. Doch wenn es im Text heißt, „wir identifizieren die Leitmärkte der Zukunft“, dann jagt mir das ein gewisses Unbehagen ein. Denn es ist nicht die Politik, die definieren sollte, auf welche Märkte die Wirtschaft setzt. Der Staat schafft die Regeln, aber er lässt den Unternehmen Freiheit. So sollte es auch bleiben.
Was erhofft sich die Wirtschaft von Regierungschefin Kraft und ihrem neuen Minister Duin?
Lehner: Mit ihrem Amtseid versprechen die Kabinettsmitglieder, Schaden vom Land abzuwehren. Daran müssen sich Frau Kraft und das Kabinett messen lassen. Spannend wird sein, welche Taten auf die Worte im Koalitionsvertrag folgen. Interessant ist jedenfalls auch, was dort nicht angesprochen wird. Bei vielen zentralen Themen vermisse ich klare Botschaften der Regierungsparteien.
Meinen Sie etwa den geplanten Eon-Kraftwerksneubau in Datteln und die Kohlenmonoxid-Pipeline von Bayer am Niederrhein – zwei Projekte, die angesichts von Bürgerbeschwerden vor Gericht zu scheitern drohen?
Lehner: Zum Beispiel. Es ist zu wenig, wenn eine Landesregierung nur zuschaut. Man kann nicht alle politischen Fragen allein den Gerichten überlassen. Im Fall Datteln und in Sachen CO-Pipeline wären klare politische Bekenntnisse hilfreich. Unternehmen benötigen Planungssicherheit. Wenn die Unternehmen laufend mit veränderten Planungen der Politik rechnen müssen, verlieren sie den Spaß daran, an Rhein und Ruhr zu investieren.
Aber auch die Unternehmen haben Fehler gemacht.
Lehner: Planungsfehler muss man heilen können. Es kann doch nicht sein, dass vergleichsweise kleine Fehler riesige Investitionen in die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland verhindern. Grundsätzlich brauchen wir bessere und kürzere Genehmigungswege, damit sich auch künftig Großprojekte in Nordrhein-Westfalen lohnen.
Die Landesregierung macht sich für einen „Masterplan Energiewende“ stark. Was sollte zwingend dazu gehören?
Lehner: Energie muss in Deutschland nicht nur möglichst umweltverträglich produziert, sondern auch sicher und bezahlbar bleiben. Soll der Umbau zu mehr erneuerbarer Energie gelingen, brauchen wir neue Netze. Wenn ich höre, dass der Neubau von 3800 Kilometern erforderlich ist, im vergangenen Jahr aber erst 100 Kilometer entstanden sind, besorgt mich das. Die Stromkosten in Deutschland gehören zu den höchsten in Europa. Das hat viel mit staatlich verursachten Kosten zu tun. Darunter leiden wichtige Branchen wie Stahl-, Chemie- Aluminium-, Papier- und Glasindustrie.
Im NRW-Koalitionsvertrag wird auch ein „gesellschaftlich verantwortliches Handeln“ der Unternehmen angemahnt – im Branchenjargon „Corporate Social Responsibility“.
Lehner: Das machen wir doch alles schon – und wir machen es freiwillig. Will hier die Landesregierung etwa in die Führung von Unternehmen eingreifen? Freiwilliges Engagement sollte auch freiwillig bleiben.