Essen. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) fordert von den Krankenkassen Prämienzahlungen an die Mitglieder, weil die Einnahmen der Sozialkassen sprudeln. Das lehnt Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der Krankenkassen, ab.

Die Konten der Krankenkassen sind prall gefüllt. Warum bekommen die Versicherten das von ihnen zu viel bezahlte Geld nicht zurückerstattet?

Doris Pfeiffer: Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir jemals eine so stabile finanzielle Situation hatten. Wir haben 19,5 Milliarden Euro in der Reserve der Kassen und im Gesundheitsfonds. davon bleiben 14,5 Milliarden Euro übrig, wenn man alle verpflichtenden Rücklagen abzieht. Das hört sich viel an, doch der Betrag würde gerade für 29 Tage reichen. Von einem massiven Überschuss kann keine Rede sein.

Die Reserven wachsen doch noch weiter an. Das Geld gehört den Mitgliedern.

Pfeiffer: Die Überschüsse verteilen sich unterschiedlich auf die Krankenkassen. Manche von ihnen sind auch deshalb vorsichtig, weil sie durch die komfortable Entwicklung auf Zusatzbeiträge verzichten können. Auch sind wir an einer dauerhaft stabilen Finanzlage interessiert. Denn die Ausgaben im Gesundheitswesen werden weiter ansteigen. So wie es jetzt aussieht, wird der Beitragssatz wenigstens bis 2013, vielleicht auch 2014 unverändert bleiben können. Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Bürger das Geld lieber als Reserve bei den Kassen belassen will.

Könnte nicht zumindest die Praxisgebühr abgeschafft werden?

Pfeiffer: Die positive Entwicklung wird nicht dauerhaft sein. Die zwei Milliarden Euro aus der Praxisgebühr würden fehlen, wenn sich die Lage wieder normalisiert. Für uns ist entscheidend, dass wir die Situation langfristig sichern.

Die befürchtete Welle an Zusatzbeiträgen durch finanzschwache Kassen ist ausgeblieben. Waren die Warnungen übertrieben?

Pfeiffer: Aus damaliger Sicht war die Furcht berechtigt. Doch die Beitragserhöhung und die unerwartet gute Konjunktur haben die Lage verändert. Aktuell sind Zusatzbeiträge deshalb selten. Einige Kassen haben sie wieder zurückgenommen.

Verdienen Ärzte zu wenig und fordern deshalb für 2013 ein paar Milliarden Euro mehr?

Pfeiffer: Diese Forderung ist durch Fakten nicht zu begründen. Die Vergütung ist in den letzten Jahren schon stark angestiegen. Angemessen ist nur ein Ausgleich für den Mehraufwand, der durch die Alterung der Gesellschaft und die Zunahme schwerer Erkrankungen entsteht. Diese Kosten summieren sich auf etwa 600 Millionen Euro. Das ist weit entfernt von den 3,5 Milliarden Euro, die von den Ärzten verlangt werden. Mal sehen, was die Verhandlungen im Herbst ergeben.

Die Bundesregierung wollte kürzlich, dass die Krankenkassen den Patienten Krankenhäuser empfehlen. Wer den Rat annimmt, soll von der Zuzahlung für den Aufenthalt auf einer Station befreit, also um bis zu 280 Euro entlastet werden. Wären die Kassen dazu überhaupt in der Lage und hätten die Patienten auch qualitativ etwas von so einer Regelung?

Pfeiffer: Wir haben den Vorschlag begrüßt. Aber er ist jetzt wohl schon wieder vom Tisch. Die Kranken hätten nicht nur einen finanziellen Vorteil. Wir könnten mit den Kliniken einzelne Verträge abschließen und so auch Qualitäts- und Leistungsstandards festlegen. Auch wäre sichergestellt, dass die Ärzte nicht zu schnell und zu viel operieren.