Berlin/Luxemburg. Die anhaltende Finanzkrise schwächt die Industrie im Euroraum zusehends. Mit China kämpft auch ein wichtiger Handelspartner mit einer deutlichen Konjunkturabkühlung. Die Arbeitslosenzahlen in Spanien und Griechenland stiegen im April dramatisch an.

Die Industrie in der Eurozone schlittert immer tiefer in die Krise. Dem Abwärtstrend kann sich auch Deutschland nicht mehr entziehen - zumal mit China ein wichtiger Handelspartner ebenfalls merklich schwächelt.

Der Einkaufsmanagerindex für die Euro-Zone fiel im Mai um 0,8 auf 45,1 Punkte. Das ist der schlechteste Wert seit Mitte 2009, teilte das Markit-Institut am Freitag zu seiner Umfrage unter Tausenden Unternehmen mit. "Dies zeigt, dass sowohl die Finanzkrise als auch die politische Unsicherheit mittlerweile verheerende Auswirkungen auf die Realwirtschaft im gesamten Währungsgebiet haben", sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. Die Wachstumseinbußen seien zwar bei weitem nicht so gravierend wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008/09. "Doch die Lage verschlechtert sich in alarmierendem Tempo."

Arbeitslosigkeit in Schuldenstaaten nimmt deutlich zu

Besonders schlecht ist die Lage in Spanien, das Griechenland als Schlusslicht abgelöst hat. Beide Staaten haben laut den am Freitag von der EU veröffentlichen Arbeitsmarktzahlen für April die höchsten Arbeitslosenquoten im Euroraum. Der Schuldenstaat Spanien liegt mit 24,3 Prozent an der Spitze, gefolgt von Griechenland (21,7 Prozent) und Portugal (15,2 Prozent). Besonders alarmierend sind die Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit: In Griechenland und Spanien ist demzufolge mehr als jeder zweite junge Mensch unter 25 Jahre ohne Job.

Mit seiner stetig sinkenden Arbeitslosenquote steht Deutschland im europäischen Vergleich sehr gut da. Von den anderen EU-Mitgliedsstaaten verzeichneten nur Österreich (3,9 Prozent), Luxemburg und die Niederlande (je 5,2 Prozent) eine niedrigere Arbeitslosenquote als Deutschland, die im April nach Zählung der EU 5,4 Prozent betrug.

Deutsche Industrieaufträge sinken 11. Monat in Folge

Dennoch liefen auch in Deutschland, Frankreich und Italien die Geschäfte deutlich schlechter. "In allen vier Schwergewichtsländern der Eurozone geht es mittlerweile in besorgniserregendem Tempo bergab", sagte Williamson. "Neben der schwachen Binnennachfrage waren die Unternehmen auch mit weiter rückläufigen Exportbestellungen konfrontiert, hauptsächlich wegen der lahmenden Weltkonjunktur und des niedrigeren Handelsvolumens zwischen den Euro-Ländern."

Auch die Talfahrt der deutschen Industrie beschleunigte sich deshalb. Die Geschäfte gingen so stark zurück wie seit knapp drei Jahren nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex fiel um einen Zähler auf 45,2 Punkte. Damit entfernte sich das Barometer weiter von der 50-Punkte-Marke, ab der Wachstum signalisiert wird. Die Chancen für eine rasche Trendwende stehen eher schlecht. "Mit der Abkühlung der Weltkonjunktur ging auch das Neugeschäft zurück, insbesondere von den Exportmärkten", sagte Markit-Ökonom Tim Moore. Die Aufträge fielen so stark wie seit einem halben Jahr nicht mehr und gingen den elften Monat in Folge zurück. Die Unternehmen führten das auf die gedämpfte Nachfrage aus Europa und sinkenden Bestellungen aus Asien zurück.

China schwächelt

Dort mehren sich vor allem in China die Anzeichen für eine deutliche Konjunkturabkühlung. Der Einkaufsmanager-Index für große Industrieunternehmen fiel nach Angaben der Statistikbehörde überraschend auf das Jahrestief von 50,4 Punkten. Von Reuters befragte Analysten hatten nur mit einem Rückgang auf 52,2 Punkte gerechnet. Der Exportweltmeister leidet unter der Wirtschaftskrise in der Europäischen Union, seinem wichtigsten Absatzmarkt. Noch schlechter steht es um die mittelständische Industrie in China: Deren Einkaufsmanager-Index - der von der Großbank HSBC ermittelt wird - fiel auf 48,4 Punkte. Er signalisiert damit den siebten Monat in Folge schrumpfende Geschäfte.

China ist nicht das einzige asiatische Schwellenland, dem die Puste ausgeht. Im benachbarten Indien wuchs die Wirtschaft im ersten Quartal so langsam wie seit neun Jahren nicht mehr.

Stärkster Stellenabbau seit zwei Jahren

Ein Hoffnungsschimmer für die Euro-Länder ist der schwächelnde Euro, der die Exporte in andere Währungsräume wie Asien und Amerika billiger macht. Der Euro ist derzeit so billig wie seit zwei Jahren nicht mehr.

Die Industrie tritt in der Währungsunion wegen der schrumpfenden Nachfrage auf die Kostenbremse. Sie bauten den vierten Monat in Folge Stellen ab, und das gleich so stark wie seit über zwei Jahren nicht mehr. Entlastung kommt dagegen von sinkenden Einkaufspreisen, weil viele Vormaterialien und Rohstoffe billiger geworden sind.

Im ersten Quartal rettete ein starkes Wachstum der deutschen Wirtschaft der gesamten Euro-Zone noch eine Stagnation. Für 2012 sagt die EU-Kommission den 17 Euro-Ländern jedoch einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 0,3 Prozent voraus. (Reuters, dapd)