Berlin. . Mit Prämien an Hausärzte versuchen offenbar viele Krankenhäuser ihre Betten und OPs auszulasten. Dies geht aus einer Studie der Universität Halle-Wittenberg hervor, heißt es in einem Medienbericht vom Dienstag. Bundesärztekammer weist Vorwürfe zurück, SPD-Experte Lauterbach rügt “Mafia-Verhältnisse“.
Viele Ärzte kassieren einer Studie der Universität Halle-Wittenberg zufolge Extra-Honorare für die Überweisung von Patienten an bestimmte Kliniken. Im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes befragte das Meinungsforschungsinstitut TMS Emnid Bielefeld über 1100 niedergelassene Fachärzte, stationäre Einrichtungen und nichtärztliche Leistungserbringer, wie die "Bild"-Zeitung (Dienstagausgabe) berichtet.
Demnach zahlt jede vierte Klinik sogenannte Fangprämien für Patienten. Fast die Hälfte der nichtärztlichen Leistungserbringer wie Sanitätshäuser, Hörgeräte-Akustiker oder Orthopädie-Schumacher geben zu, schon Vorteile wie Geld, Kostenübernahme von Tagungen oder Sachleistungen erhalten zu haben. Laut Studie gab knapp ein Fünftel der Ärzte an, das Verbot, sich an der Zuweisung von Patienten zu bereichern oder dafür Vorteile zu gewähren, nicht zu kennen.
SPD-Gesundheitsexperte rügt "Mafia-Verhältnisse"
Die Bundesärztekammer bezweifelt die Ergebnisse einer Studie zu angeblichen "Fangprämien" an Ärzte für die Überweisung von Patienten an bestimmte Kliniken. Sollte tatsächlich jedes vierte Krankenhaus derartige Extra-Honorare zahlen, müsste es bei der Ärztekammer und den Staatsanwaltschaften viel mehr Anzeigen geben, sagte Präsident Frank Ulrich Montgomery am Dienstag auf NDR Info. Die Diskussionen über Fangprämien seien "uralte Kamellen". Montgomery warf den Autoren der Studie zum Auftakt des 115. Deutschen Ärztetages an diesem Dienstag Stimmungsmache gegen Mediziner vor.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach bei "Bild.de" von Mafia-Verhältnissen, "die einen Riesen-Schaden verursachen". Das Problem sei seit zwei Jahren bekannt und die Lage sei "deutlich schlimmer geworden". Die SPD habe im Gesundheitsausschuss des Bundestages einen Antrag eingebracht, dass in Fällen von Fangprämien niedergelassene Ärzte strafrechtlich für den Tatbestand der Bestechlichkeit belangt werden könnten. "Nur dann wird sich endlich etwas ändern", sagte Lauterbach.
Ärztetag diskutiert über Reform von Gesundheitssystem
Kurz vor dem Start des Ärztetags forderte Montgomery eine grundlegende Reform des Krankenkassensystems. So sollten sich die gesetzlichen Krankenversicherungen stärker an der Wettbewerbsfähigkeit der privaten Versicherungen orientieren, sagte Montgomery am Dienstag. Die private Krankenversicherung sei "ein tragfähiges Modell für die Zukunft".
Allerdings halte er beide Kassensysteme für reformbedürftig. "Die Finanzierungsgrundlage unseres Gesundheitssystems muss dringend auf die Herausforderungen der alternen Gesellschaft vorbereitet werden",sagte er.
Montgomery fordert Aus für Praxisgebühr
Montgomery ermahnte die Bundesregierung zudem, die Praxisgebühr abzuschaffen. "Die politischen Streitereien akzeptieren wir nicht länger als einzige Begründung für den Erhalt der Gebühr", sagte er. Während die FDP auf ein Ende der Zehn-Euro-Gebühr bei Arztbesuchen pocht, will die Union die Abgabe beibehalten.
Montomery sagte mit Blick auf die Union: "Die Befürworter der Gebühr müssen endlich die Vernunft walten lassen und einsehen, dass die Gebühr Null Steuerungswirkung hat." Die Abgabe sei "ein Bürokratie-Monster", das endlich abgeschafft gehöre.
Rund 250 Mediziner kommen ab Dienstag zum 115. Deutschen Ärztetag in Nürnberg zusammen. Die Delegierten wollen sich auf der viertägigen Tagung insbesondere mit Fragen der zukünftigen Finanzierung des Gesundheitswesen befassen. Der Deutsche Ärztetag ist die Hauptversammlung der Bundesärztekammer und findet einmal jährlich an wechselnden Orten statt. (dapd)